Organisieren und kämpfen!
In den USA wird dieser Tage an ein blutiges Kapitel der Klassenkämpfe erinnert. Der Ford-Hungermarsch vor 90 Jahren wurde zu einem Meilenstein für die Gewerkschaftsbewegung in der US-amerikanischen Automobilindustrie.
Knapp zweieinhalb Jahre nach dem Beginn der Weltwirtschaftskrise im Oktober 1929 waren in den USA viele Millionen Arbeiter erwerbslos. Auch in der Autostadt Detroit hatte sich das Heilsversprechen des Kapitalismus ins Gegenteil verkehrt. Als die für die Gewerkschaftseinheit eintretende Trade Union Unity League, die Kommunistische Partei der USA und ihr Jugendverband YCL sowie die gerade erst ins Leben gerufenen Arbeitslosenräte in allen Städten zwischen Los Angeles und New York für den 6. März 1930 zu Manifestationen aufriefen, beteiligten sich allein in Detroit 100.000 Menschen. Doch die Polizei knüppelte den friedlichen Protest brutal nieder und verhaftete viele Teilnehmer.
Zwei Jahre später hatte sich die Krise weiter verschärft. Offiziellen Statistiken zufolge starben allein in Detroit Tag für Tag vier Menschen Hungers. Eine Arbeitslosenentschädigung gab es nicht und Henry Ford, damals der reichste Mann der Welt, hatte Zweidrittel seiner Arbeiter gefeuert. Wer sich beschwerte, dem hielt der Hitler-Verehrer entgegen, die Arbeitslosen seien selbst schuld an ihrem Elend, weil sie »nicht hart genug gearbeitet« hätten.
Doch die über 80 Arbeitslosenräte in Detroit waren zu den schlagkräftigsten im Land angewachsen, und mit einem Vorläufer der Automobilgewerkschaft UAW wurde für den 7. März 1932 zu einem weiteren Hungermarsch aufgerufen, diesmal zu den Werken des Ford-Konzerns in Dearborn.
Die Manifestation begann in Detroit friedlich, doch in Dearborn, wo allein Henry Ford bestimmte, wo es langgeht, und sein Cousin Clyde Ford Bürgermeister war, wurden die Hungermarschierer schon an der Stadtgrenze mit Tränengasgranaten beschossen. Die Arbeiter wehrten sich, indem sie Steine und Klumpen gefrorenen Matschs auf die um Fords Privatarmee und privaten Spitzeldienst sowie die städtische Feuerwehr verstärkte Polizei schleuderten.
An den Ford-Werken angekommen wurden die Protestierenden erst mit Wasserkanonen der Feuerwehr zerstreut, bevor sie aus Pistolen, Gewehren und Maschinengewehren beschossen wurden. Im Kugelhagel starben Coleman Leny, Joe DiBlasio und Joe York, ein 19-jähriger Distriktspräsident der Young Communist League, 50 weitere wurden zum Teil schwer verletzt.
Als der Präsident der Arbeitslosenräte Alfred Goetz einen geordneten Rückzug einleiten wollte, befahl Fords oberster Gewerkschaftsbekämpfer Harry Bennett, abermals auf die Demonstranten zu schießen. Der von Ford offiziell als »Leiter des Kundendienstes« angeheuerte Bennett leerte selbst das Magazin seines Gewehrs, bevor er sich von einem Polizisten dessen Revolver geben ließ, um weiter feuern zu können. Dabei starb der 16-jährige Jungkommunist Joe Bussell und es gab wieder viele Verletzte.
In den folgenden Tagen wurden 48 Arbeiter verhaftet, viele lagen noch im Krankenhaus. Im Juni starb der schwarze Arbeiter Curtis Williams an seinen schweren Verletzungen. Wer für die Beerdigungen der gefallenen Klassenkämpfer spendete oder nur ein Flugblatt der Gewerkschaft annahm, wurde entlassen.
Doch der Anfang war gemacht. 1941 führte ein Sitzstreik der United-Auto-Workers-Gewerkschaft zu ersten Kollektivvertragsverhandlungen in mehreren Ford-Werken. Und nach dem Abgang von Henry Ford und Harry Bennett kam es 1945 zu einer den ganzen Konzern umfassenden Gewerkschaftsorganisation.
Ben Bussells auf der Beerdigung seines Bruders erhobene Forderung an die 80.000 versammelten Arbeiter, sich zu organisieren und in Joes Namen weiter zu kämpfen, hatte sich erfüllt.