Rote Fahnen sieht man besser
Rot war die bestimmende, alles überstrahlende Farbe bei den Manifestationen zum Internationalen Kampf- und Feiertag der Arbeiterklasse am 1. Mai, nicht nur in Luxemburg, sondern auch in Frankreich, Belgien, Deutschland, Portugal, Griechenland, Spanien, Chile oder Venezuela – die Liste der Orte, in denen Arbeiter und Angestellte, Rentner und Jugendliche auf die Straßen gingen, ist lang.
Der Wunsch und die Entschlossenheit vieler Menschen, am 1. Mai für eine bessere Welt zu demonstrieren, gegen verschärfte Ausbeutung in kapitalistischen Unternehmen, gegen zunehmende Armut und wachsende Altersarmut, gegen Wohnungsnot, gegen die schwindenden Perspektiven für die Jugend, wird angesichts der aktuellen Probleme offenbar wieder größer. Zunehmend verbreitet sich auch die Einsicht, daß kapitalistische Ausbeutung, galoppierende Inflation, steigende Preise, Streichungen bei Sozialausgaben und die ins Unermeßliche steigenden Ausgaben für Rüstung und Krieg zwei Seiten der selben Medaille sind.
Auf Transparenten der Gewerkschafter in Italien wurde es kurz und treffend ausgedrückt: »Löhne erhöhen, die Waffen nieder!« Ähnlich waren die Forderungen bei den Manifestationen in aller Welt. In Graz, der zweitgrößten Stadt Österreichs, in der seit November 2021 die kommunistische Partei die Führung der Stadt übernommen hat, waren Schilder mit der Aufschrift »Klimaschutz heißt Frieden und Abrüstung!« zu sehen. So tragen die Aufrufe und Losungen zum 1. Mai auch dazu bei, die Menschen zum Nachdenken über Zusammenhänge anzuregen. Wie leer sind die Forderungen vor allem der grünen Politiker in Regierungsverantwortung, die immer wieder von Klimaschutz palavern, und gleichzeitig Waffenlieferungen in die Ukraine und maßlose Aufrüstung begeistert befördern!
Die wachsende Not vieler Menschen in der »modernen« kapitalistischen Gesellschaft ist weder gottgegeben noch eine Naturerscheinung. Sie ist eine Folge des Profitstrebens, das auch in der Befeuerung des Krieges in der Ukraine, in der Weigerung, den Krieg durch vernünftige Verhandlungen zu beenden, seinen Ausdruck findet. Der Wirtschaftskrieg gegen Rußland und zunehmend auch gegen China wird dazu genutzt, den Menschen immer größere Opfer abzuverlangen, in Form von steigenden Preisen, schwindenden Sparguthaben und einem immer größer werdenden Anteil am Steueraufkommen, das dann eben nicht für soziale Zwecke, sondern für die ungehemmte Rüstung und für das Anwachsen des Reichtums einiger weniger Leute eingesetzt wird, die im Besitz der Produktionsmittel und damit auch der politischen und wirtschaftlichen Macht sind.
Die Forderungen, die OGBL-Präsidentin Nora Back am Sonntag in ihrer Rede formulierte, und die auch weitgehend von den Luxemburger Kommunisten unterstützt werden, sind ein wesentlicher Teil des Kampfes für etwas mehr Gerechtigkeit in dieser Gesellschaft, ein Zeichen dafür, daß nichts so bleiben muß, wie es ist. Das ist auch die rote Fahne, die am 1. Mai traditionell am Sitz der Gemeinde in der früheren Bergarbeiterstadt Rümelingen gehißt wird und erfreulicherweise die blau-gelbe Fahne der Ukraine und das Sternenbanner der EU ersetzte – zwei Symbole, die aus Sicht der Kommunisten absolut nichts mit unseren Gemeinden zu tun haben. Rümelingen setzte am 1. Mai ein Zeichen, denn rote Fahnen sieht man besser!