Leitartikel27. August 2024

Beten reicht nicht

Uli Brockmeyer

Bei den verheerenden Kriegen im Nahen Osten und in der Ukraine gibt es keinerlei Anzeichen für ein vernünftiges Ende. Die israelische Führung ist offenbar bereit, weiter nicht nur die Nachbarn, sondern auch die gesamte Weltöffentlichkeit herauszufordern und einen »großen Krieg« zu provozieren. Typisch für diesen Krieg ist, daß sowohl die Politiker und Militärs des Staates Israel sich als Opfer von Angriffen darstellen, ständig vor Eskalationen warnen, während sie selbst permanent angreifen und die Lage ohne Skrupel eskalieren.

Der jüngste Angriff der Hisbollah auf militärische und geheimdienstliche Ziele in Israel war geradezu herausgefordert worden. Da waren zum einen die gezielten Tötungen von hochrangigen Anführern der Hisbollah und der Hamas, und als all das noch nicht reichte, das Forcieren der täglichen Attacken auf Ziele im Libanon, mit immer neuen Toten und Verletzten. Und schließlich der »Präventivangriff« der israelischen Luftwaffe in den frühen Morgenstunden am Sonntag, so daß sich die Hisbollah letztlich zu ihrem Vergeltungsschlag gegen Israel gezwungen fühlte.

Gleichzeitig setzt Israel seine destruktive Politik fort, indem jegliche Gespräche über eine Waffenruhe für Gaza permanent torpediert werden und selbst das durchaus israelfreundliche Angebot der USA für einen Waffenstillstand und einen Austausch von Gefangenen durch immer neue Einwände zum Scheitern gebracht wird. Dabei ist es den Verantwortlichen in Tel Aviv durchaus bewußt, daß die Angriffe der Hisbollah auf israelische Gebiete in dem Moment beendet werden, in dem bei den Gesprächen eine Einigung erzielt wird. Doch daran hat man dort ganz offenbar kein Interesse.

Nicht anders ist es beim Krieg in der Ukraine. Jeder aufmerksame Beobachter weiß, daß dieser Krieg nicht durch einen militärischen Sieg auf dem Schlachtfeld beendet werden kann. Klar ist auch, daß die sogenannte »Friedensformel« des ukrainischen Präsidenten für Rußland einer bedingungslosen Kapitulation gleichkäme und damit unannehmbar ist. Aufmerksame Beobachter haben auch bemerkt, daß es nicht nur gleich zu Beginn des Krieges bereits ein fast unterschriftsreifes Abkommen gab, das schließlich vom damaligen britischen Premierminister auf Geheiß der USA vom Tisch gefegt wurde.

Diverse Bemühungen zur Beendigung des Krieges werden immer wieder von der ukrainischen Führung mit militärischer und propagandistischer Unterstützung aus dem Westen entweder verschwiegen oder falsch dargestellt, so daß selbst die Aufnahme von Gesprächen verhindert werden soll – zumal sie der Präsident der Ukraine per Dekret verboten hat. Zur Verlängerung des Siechtums des Kiewer Regimes fordert Herr Selenski immer neue Waffen und Munition, immer mehr Geld und immer wieder die Erlaubnis der westlichen Sponsoren, Ziele in Rußland angreifen zu dürfen – nachdem sein Vorstoß im Kursker Gebiet ganz offensichtlich kein einziges der deklarierten Ziele erreicht.

Es ist an der Zeit, endlich Wege für die Beendigung der Kriege zu beschreiten. Der venezolanische Sänger Alí Primera sang im Jahr 1972, auf dem Höhepunkt des Angriffskrieges der USA gegen Vietnam, »No basta rezar« – es reicht nicht zu beten, um Frieden zu erreichen. Denn ebenso wie die für einen Frieden Betenden, beten auch die Bomberpiloten für eine sichere Landung nach Abwurf ihrer todbringenden Last. Wichtiger ist es, die Ursachen des Krieges zu kennen, und zu verstehen, welche Interessen damit verfolgt werden. Und aufzustehen und die Schuldigen laut hörbar zu benennen.