Wahlen in Zeiten der Krise
In zwei ostdeutschen Bundesländern gab es am Sonntag Wahlen zu den Landesparlamenten, die im Vorfeld wieder einmal zu »Schicksalswahlen« stilisiert wurden. Tatsächlich stand sowohl in Thüringen als auch in Sachsen die jeweilige bisher regierende Koalition auf dem Spiel. Während der Landesregierung in Thüringen unter dem Ministerpräsidenten Ramelow von der Partei Die Linke niemand ein Chance gab, wurden vor allem die Fragen nach dem Ergebnis der rechtsextremen Alternative für Deutschland (AfD) unter ihrem Anführer Björn Höcke gestellt, der offiziell als Faschist bezeichnet werden darf, sowie die Frage nach dem Abschneiden des neuen, linksorientierten Bündnisses Sahra Wagenknecht (BSW).
Auch in Sachsen wurde mit einem hohen Ergebnis der AfD gerechnet, und in beiden Ländern trat das Erwartete ein. Nun stehen nicht nur die Landesverbände der Parteien, vor allem die der in Berlin regierenden »Ampel«-Parteien, vor schwierigen Problemen, die kaum innerhalb von Tagen gelöst werden können. Es ist nicht zu erwarten, daß die anstehenden Gespräche über Koalitionen oder andere Zweckbündnisse in kurzer Zeit zu Ergebnissen führen. Zudem bleibt abzuwarten, welche neuen Turbulenzen sich in der der Bundesregierung ergeben, die erst vor wenigen Tagen von einem grünen Politiker als »Übergangskabinett« bezeichnet worden war. In Berlin schien man am Montag noch entschlossen, bis zu den Bundestagswahlen im Oktober 2025 weiterzuwursteln.
Politologen und andere »Experten« werden sich jetzt in sämtlichen Talkshows darüber auslassen, was zu diesen Wahlergebnissen geführt haben könnte. Es wird viel von »ostdeutschem Politikempfinden« die Rede sein, und dabei wird wohl kaum jemand darauf eingehen, daß »die Ostdeutschen« – auch heute noch – nicht nur die Verlierer der staatlichen Einverleibung der DDR in den Bestand der BRD mit all den politischen, wirtschaftlichen und persönlichen Verwerfungen sind, sondern daß vor allem das rechte Gedankengut von westdeutschen Parteien, insbesondere von der CDU, in den Osten getragen wurde.
Verschärft wurde das mit dem Aufkommen der AfD, die genau diese Stimmungslage ausnutzte und mit Politikerexporten aus dem Westen geradezu hochpäppelte. Leute wie Gauland, der vor seiner AfD-Blitzkarriere ein strammer CDU-Mann war, oder der krakeelende Hetzer Höcke, der aus dem Westen nach Thüringen kam und dort gern seine Vorstellungen über eine »nationale« Politik umsetzen möchte.
Es wird auch kaum erörtert werden, daß diese Wahlen in der Zeit einer tiefen Krise stattfanden, nämlich der wirtschaftlichen, die ganz wesentlich auch eine Folge der täglich zunehmenden Konfrontation mit Rußland und China ist und dadurch auch zunehmend zu einer politischen Krise geworden ist. Den Menschen werden tagtäglich neue Opfer abverlangt unter dem Zeichen der »Bedrohung aus dem Osten«, der überbordenden Rüstungspolitik und des Kriegsgeschreis, während sich die Besitzenden der Banken und Konzerne – nicht nur der Rüstungsschmieden – immer neue Profite gutschreiben dürfen.
Und es ist beileibe keine sächsische oder thüringische Krise. Die politische Krise dieses Systems sehen wir seit Wochen und Monaten auch in Frankreich, Belgien, Bulgarien, wo es einfach nicht gelingen will, tragfähige Regierungen zu basteln, oder in der EU – wobei es stets um Posten und Pöstchen beim weiteren Umverteilen des gesellschaftlichen Reichtums von unten nach oben geht, und nicht etwa um die wirklichen Bedürfnisse der Wählerschaft.