Aus den Betrieben21. September 2024

Restrukturierung der Caritas bringt Entlassungen und eine neue Namensgebung

Viele Fragen, kaum Antworten

KP

Nachdem der Caritas vor zwei Monaten rund 61 Millionen Euro abhandenkamen und die Finanzdirektorin unter Hausarrest gestellt wurde, nahm sich Premier Luc Frieden (CSV) persönlich dieser leidigen Sache an.

Es folgte eine Reihe Sitzungen mit den Ministern aus den verschiedenen Zuständigkeitsbereichen. Anfang August verkündete Luc Frieden, dass die Regierung der Caritas den Geldhahn abgedreht habe, denn er habe als Premier die Pflicht, das Geld des Staates zu schützen. Eine interessante Wendung für den Finanzlobbyisten, der in der Bankenkrise ein derart kategorisches Verhaltensmuster nicht aufgewiesen hat.

Da der »neie Luc« andererseits versprochen hat, die Armut zu bekämpfen, war er notgedrungen verpflichtet, den Caritas-Beschäftigten zu versichern, es werde nach einer Lösung gesucht und man müsse sich keine Sorge um den Arbeitsplatz machen. Zudem sei es im Sinne der Regierung, alle Aktivitäten der Caritas aufrechtzuerhalten. Im Laufe des August wurden dann die verschiedenen Optionen beleuchtet…

Zu groß,um zu versagen

Bis hierhin beschäftigte die Caritas rund 500 Menschen. Vom OGBL wurde als Antwort auf die Aussagen vom Premier mit Nachdruck darauf hingewiesen, dass die Caritas ein systemischer Betrieb sei, ohne den der Staat seinen Verpflichtungen nicht gerecht werden könne. Die Gewerkschaft wies außerdem darauf hin, dass das Übertragen der Aktivitäten an einen anderen »Dienstleister« nicht der Idealfall sei und es für die Angestellten, trotz guten Kollektivvertrags, kein Leichtes sei, den Arbeitgeber zu wechseln.

So ist das Schicksal der Angestellten bei der Stiftung und der Asbl »Accueil & Solidarité« weiterhin offen. Mittlerweile ist allerdings bestätigt worden, dass die internationalen Aktivitäten eingestellt werden, weshalb hier in Luxemburg 30 sowie 70 Arbeitsplätze in Laos und im Südsudan verloren gehen. Es ist anzunehmen, dass es nicht hierbei bleiben wird, und die Zerschlagung der Nichtregierungsorganisation (NRO) weitere Entlassungen mit sich bringen wird. Dies konnte bisher auch der Leiter des »Krisenkomitees« Christian Billon (ex-PwC) nicht dementieren.

Mitte August gab es dann ein Treffen mit den von der Affäre betroffenen Ministern. Hier wurden erste Erkenntnisse des Begleitausschusses und weitere Schritte besprochen. Die »Schwesterorganisationen« in Belgien, Deutschland und der Schweiz sind nicht, also zumindest nicht direkt, von der Krise bei Caritas Luxemburg betroffen.

Eine weitere Sorge betrifft die Spendenbereitschaft. Immerhin ist die Caritas für viele Projekte auf Spendengelder angewiesen, und ein solcher Skandal führt unweigerlich zu Vertrauensverlust. Inwieweit sich dieser bemerkbar machen wird, ist derzeit noch nicht absehbar. Gleiches kann übergangslos auf die Arbeit der Ehrenamtlichen übertragen werden.

Der steinige Weg in eine bessere Zukunft

Was nun nach zwei Monaten bleibt, ist eine lange Liste von Verlieren. Die wird von der Caritas selbst angeführt, es folgen die Beschäftigten und unweigerlich all die Begünstigten. Auch der Generaldirektor, Marc Crochet, der erst wenige Monate zuvor sein Mandat übernommen hatte, wird nach neuen beruflichen Perspektiven Ausschau halten müssen. Interessant dürfte es auch sein, welche Folgen der Caritas-Skandal für andere NROs aus dem Sektor Sozialarbeit haben wird.

Offen bleiben derzeit auch viele Fragen bezüglich der Rolle, die die Banken – in unserem Falle die BCEE und BGL – in dieser »Betrugsaffäre« einnehmen. Die sind zumindest nach politischem Duktus systemrelevant und haben offenbar völlig versagt. Sollten sie in diesem Fall nicht »versagt« haben, muss es an den Kontrollmechanismen unseres Finanzsystems ebenso wie jenen der Organisationen selbst gelegen sein. Auch die Finanzaufsichtsbehörde CSSF wird hier von den Finanzinstituten Antworten fordern.

Derweil gehen die Justizbehörden weiterhin von einem sogenannten »Präsidentenbetrug« (arnaque au président) aus. Bekannt ist inzwischen auch, dass es interne Tests gab, die genutzt wurden, um herauszufinden, wer denn alles auf Betrugsmaschen wie »Phishing« oder »eMail-Spoofing« hereinfällt. Diesen Angestellten wurde dann eine Onlinefortbildung aufgedrängt. Weitere Informationen deuten darauf hin, dass der Skandal bereits Anfang Februar seinen Anlauf genommen hatte.

Um zu retten, was noch zu retten sei, hat man sich für gutes Geld Hilfe bei Pricewaterhouse Coopers (PwC) eingekauft. Die soll allerdings nicht nur den Betrug untersuchen, sondern wird wohl auch bei der Neuausrichtung eine größere Rolle spielen. Wobei »Neuausrichtung« hier wohl das falsche Wort sein dürfte, denn der Laden wurde bekanntlich auf links gedreht.

»Hëllef um Terrain«, eine PwC-Kreatur

Auf Bitten der Regierung und mit dem Rat der Wirtschaftsprüfer von PwC, kommt es aktuell zur Restrukturierung der Caritas. Wie der Vorsitzende des Krisenkomitees, Christian Billon, via Pressemitteilung am 12. September mitteilte, habe man sich für die Schaffung einer neuen Struktur entschieden, einen neuen Namen inklusive. Aus Caritas wird HUT (»Hëllef um Terrain«) und natürlich werden auch die »Köpfe« ausgetauscht.

Die Namen der neuen Gründungsmitglieder lassen allerdings erkennen, dass hier ganz bewusst auf die Vorteile der Vetternwirtschaft gewettet wird. Christian Billon bleibt mit von der Partie. Neu sind der Wirtschaftsjurist Paul Mousel, der Brauer Georges Lenz, der Geschäftsführer der Versicherungsgesellschaft »Le Foyer« Marc Lauer, und Françoise Gillen, Mitglied des ORK (Ombudsmann für Kinder und Jugendliche).

Fast nebensächlich wird erwähnt, dass auch die Stiftungen der »La Luxembourgeoise« – diese steht unter der Fuchtel der Familie Hentgen-Pauly – und »Félix Chomé« mit von der Partie seien. Während erstere seit jeher die Früchte des katholischen Kapitalismus zu verteidigen weiß, entspringt die zweite der Arbed und wird ebenfalls von der Familie Hentgen-Pauly kontrolliert, genauer von François Pauly, dem Vetter von Pit Hentgen. Für die Führung dieser neuen Truppe wurde die einstige Ombudsfrau Claudia Monti auserwählt.

Für den Verwaltungsrat habe man sich mit Experten eingedeckt, so die Aussage. Dies sind zwei »unabhängige« Verwalter: David Hagen und Pascal Rakovsky, eine hohe Beamtin in der Person von Claudine Konsbruck, auch die Anwältin Marisa Roberto und auch der frühere Direktor der »Elisabeth«-Gruppe, Willy de Jong, konnten verpflichtet werden. Christian Billion wird indes nur bis Anfang kommenden Jahres mit am Tisch sitzen, da sein Mandat dann von Claudia Monti übernommen werden soll.

Die Unterschrift des Bankiers

In diesem Kontext muss darauf verwiesen werden, dass PwC nicht nur die Gründungsmitglieder und das Startkapital »gesucht und gefunden« hat, sondern hier insbesondere den Wünschen und Forderungen von Luc Frieden entsprochen wurde. Fast schon als Treppenwitz der Geschichte zu bewerten: Der von Marie-Josée Jacobs geleitete Caritas-Vorstand wurde bewusst außen vor gelassen. Es habe hier noch nicht einmal ein informeller Austausch stattgefunden.

Nun mag man in Folge des Skandals gewillt sein, anzunehmen, dass diese neue »Einheit« in völliger Unabhängigkeit arbeiten soll. Das lässt vermuten, dass das Bistum hier keinen Einfluss mehr soll geltend machen können, was wiederum Kardinal Hollerich in ein schlechtes Licht stellt. Das dürfte diesem keine Freude bereiten, zumal sein Chef am 26. September zu Besuch sein wird…

Entschieden ist jedenfalls, dass HUT keine Verbindung zum Caritas-Netzwerk haben und auch nicht mit den von der Krise betroffenen Abteilungen/Sektionen zusammenarbeiten wird.

Derzeitige Brennpunkte

Nach dem »Reset« bleibt allerdings vieles ungeklärt. So hat die Struktur »soziale Mietverwaltung« (GLS), die armen Menschen den Zugang zu bezahlbarem Wohnraum ermöglicht, seit zwei Monaten kein Geld mehr an die Vermieter überwiesen. Laut dem Familienministerium seien die Eigentümer aber über das skandalbedingte Moratorium informiert worden und würden sich in Geduld üben.

Ähnlich sind die Sorgen bei den Sozialämtern, die ja auch aus Gründen auf die Dienste der Caritas zurückgegriffen haben. Aktuell, so die Auskunft der Entente der Sozialämter, sei diese Zusammenarbeit nicht infrage gestellt, es gebe allerdings wenig Konkretes für die Zukunft. Es ist auch nicht bekannt, ob sie Teil der für die Wiederaufnahme der nationalen Konventionen mit HUT (ab dem 1. Oktober) sein wird. Hier stehen noch Gespräche an.

Warum nun auch die Caritas-Abteilung »Imp‘Act« und deren Subdivision »Plaidoirie« im wahrsten Sinne des Wortes abgewickelt werden, dürfte auch mit den Wünschen des Premiers zu tun haben. Imp‘Act wurde jedenfalls immer aus Eigenmitteln finanziert und unterlag zudem keiner Konvention. Diese für katholische Verhältnisse anarchische Clique war für die Sensibilisierungskampagnen und die politische Kommunikation verantwortlich. Imp‘Act jedoch als »kritische Stimme der Gesellschaft« darstellen zu wollen, die man zum Schweigen bringen muss, ist etwas übertrieben.

Einige Abteilungen, die in der Hauptstadt aktiv sind, scheinen von größeren Umwälzungen ausgeschlossen – das ging so aus dem Geplauder beim hauptstädtischen Frühstück hervor. Das Schulheim im Pfaffental, das noch von »Caritas Jeunes & Familles Asbl« geleitet wird, soll erhalten bleiben. Keine Aussichten gibt es derzeit fürs Sozialbistrot »Le Courage« in Bonneweg, gleiches trifft auch die wichtige Anlaufstelle für Obdachlose am Bahnhof, die Initiative »Parachute«. Die sogenannten Sozialläden (épiceries sociales), so die Hoffnung der Bürgermeisterin, werden von der neuen Struktur übernommen.