Wer wird die Zeche bezahlen?
Als die Handelskammer diese Woche Stellung zum verspäteten Haushaltsentwurf für das Jahr 2024 bezog, zeigte sie sich besorgt über die wirtschaftliche und finanzielle Lage und warnte davor, dass weitere finanzielle Handlungsspielräume verloren gehen könnten, sollten die Ausgaben des Staates in Zukunft schneller wachsen als die Einnahmen, und die Staatsschuld weiter ansteigen.
Die Handelskammer zeichnete ein fast desolates Bild der Wirtschaft, stellte einen Rückgang der Produktivität und der Wettbewerbsfähigkeit fest und behauptete, dass selbst die Milchkuh der Luxemburger Wirtschaft, der Finanzsektor, »leide«. Angesichts einer solch negativen Entwicklung müsste man eigentlich in Tränen ausbrechen, wüßte man nicht, dass die Zentralbank und die Finanzaufsichtsbehörde erst vor kurzem den Banken am Luxemburger Finanzplatz für 2023 einen Nettoprofit in Höhe von 6,6 Milliarden Euro bescheinigt hatten – ein neuer Rekord!
Keine Überraschung war hingegen, dass die Handelskammer wieder einmal »Mäßigung« im Öffentlichen Dienst verlangte, zu »Reformen« im Renten- und im Gesundheitsbereich mahnte und davor warnte, bei zukünftigen Tripartitezusammenkünften mit der Gießkanne zu verteilen.
Es geht dabei – ohne dass das offen gesagt wird – um Umverteilung. Der Handelskammer, welche eine Institution des Patronats ist, geht es darum, finanzielle Spielräume zu erhalten oder zu schaffen, die es möglich machen, die Umverteilung der öffentlichen Finanzen, wie sie seit Jahrzehnten funktioniert, fortzusetzen, beziehungsweise noch auszuweiten.
Auf den Gedanken, dass das Kapital – und insbesondere das Groß- und Finanzkapital – viel zu wenig Steuern bezahlt, so dass der Staat nicht über die notwendigen finanziellen Mittel verfügt, um seinen Verpflichtungen nachzukommen, kommt der Handelskammer erst gar nicht in den Sinn, weil das den vom Kapital praktizierten Klassenkampf von oben beeinträchtigen würde – und doch ist es so.
Die Probleme, die das Land hat und die zu schweren Verwerfungen führen werden, wenn sich die kapitalistische Krise verschärfen und der finanzielle Spielraum des Staates enger werden sollte, haben nicht nur damit zu tun, dass das Land und der Staatshaushalt übermäßig abhängig vom ausländischen Finanzkapital sind.
Sie bestehen vielmehr darin, dass seit langem – obwohl die Ausbeutung der Lohnabhängigen eine der höchsten in ganz Europa ist –, ein viel zu kleiner Teil der erwirtschafteten Profite in den technologischen Fortschritt, innovative Produktionsprozesse und die Ansiedlung von neuen Betrieben, die Produkte mit hohem Mehrwert herstellen, investiert wurde, wie das die Kommunisten bereits vor langer Zeit angeregt haben.
Kontraproduktiv ist zudem, dass immer mehr Menschen, statt dass sie entsprechend ausgebildet und in den Produktionsprozess integriert werden, so dass sie entlohnt werden und ihr Leben eigenständig bestreiten können, in die Sozialhilfe und die Armut abgedrängt werden.
Die Engpässe, die sich heute immer krasser im Wirtschafts- und im Haushaltsbereich zeigen und die zunehmend auf den arbeitenden Menschen lasten, sind die Folgen des bisherigen Wirtschaftsmodells, das Gift für die Schaffenden ist und regelrecht nach Umgestaltung schreit.
Die Frage, die sich kurzfristig stellt ist, wer in den nächsten Krisenjahren ganz konkret die Zeche bezahlen wird. Geht es nach dem Kapital, der Handelskammer und der Regierung, sollen das wieder einmal die Lohnabhängigen und Rentner sein.
Ohne heftige Gegenwehr wird das mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit so kommen. Verhindern können das allein die Schaffenden.