Ausland12. Juli 2024

Auslands-Nachrichten

von dpa/ZLV

Säbelrasseln in Washington

Die NATO verstärkt die militärische Konfrontation in Europa. Wegen der »Bedrohung durch Rußland« werden die USA in Deutschland von 2026 an wieder Waffensysteme stationieren, die weit bis nach Rußland reichen, darunter Marschflugkörper vom Typ Tomahawk, die auch nuklear bestückt sein können, sowie Luftabwehrraketen vom Typ SM-6 und neu entwickelte Hyperschallwaffen, die insgesamt weiter reichen sollen als bislang stationierte Landsysteme. Diese »fortschrittlichen Fähigkeiten« würden »das Engagement der USA für die NATO und ihren Beitrag zur gemeinsamen europäischen Abschreckung demonstrieren«, teilten die USA und Deutschland am Rande des Gipfels in nur drei Sätzen mit.

Zum 75. Jahrestag der NATO forciert das Militärbündnis den Kalten Krieg. Es verschärft auch den Ton gegenüber China und wirft der asiatischen Großmacht »entscheidende Beihilfe für Rußlands Krieg gegen die Ukraine« vor. In der Abschlußerklärung des Gipfels werden »die Unterstützung Chinas für die russische Verteidigungsindustrie« sowie die deklarierte grenzenlose Partnerschaft als Beispiele genannt. USA-Präsident Biden versichert, die Vereinigten Staaten stünden »unumstößlich zu ihren Bündnispflichten« und würden »jeden Zentimeter von NATO-Territorium verteidigen«. Neben der Schaffung eines NATO-Kommandos in Wiesbaden für die Koordinierung von Waffenlieferungen und Ausbildungsaktivitäten für die ukrainischen Streitkräfte verstärkt die NATO auch ihre militärischen Aktivitäten im Pazifik.

Biden verliert an Rückhalt

Der Gegenwind für Joe Biden in der Debatte um seine Präsidentschaftskandidatur wird immer stärker. Er verliert in der Demokratischen Partei und bei Spendern weiter an Rückhalt. Laut einer Umfrage sprechen sich 56 Prozent der befragten Parteianhänger dafür aus, daß er sich aus dem Präsidentschaftswahlkampf zurückzieht. Wegen seines Alters wird in den USA infrage gestellt, ob er der richtige Kandidat ist. Die Frage einer Journalistin, ob Nancy Pelosi noch hinter seiner Präsidentschaftskandidatur stehe, konterte Biden beim NATO-Gipfel mit einer geballten Faust.

UNO fordert Schutz für Zivilbevölkerung in Gaza

Angesichts des Evakuierungsaufrufs der israelischen Armee für die erneut attackierte Stadt Gaza fordert die UNO den unbedingten Schutz der Zivilbevölkerung. Alle Parteien, die an den Gaza-Konflikt beteiligt seien, müßten jederzeit das humanitäre Völkerrecht respektieren. Der UNO-Koordinator für humanitäre Hilfe in den palästinensischen Gebieten, Muhannad Hadi, informierte UNO-Generalsekretär Guterres über die Lage in Gaza. Er habe Gruppen von Männern gesehen, die auf Lastwagen gewartet hätten, die über Kerem Schalom im Süden nach Gaza fahren wollten. Sämtliche Lastwagen seien schwer beschädigt gewesen, Säcke mit angereichertem Mehl vom WFP und der Hilfsagentur UNRWA lägen verstreut am Straßenrand. Die USA wollen zudem wieder 500-Pfund-Bomben an Israel liefern, schrieb das »Wall Street Journal«.

Vier NATO-Staaten wollen weitreichende Waffe entwickeln

Washington – Deutschland, Frankreich, Italien und Polen werden ein weitreichendes Waffensystem »zur gemeinsamen Verteidigung« entwickeln. Der deutsche Kriegsminister Pistorius und seine Amtskollegen unterzeichneten in Washington eine Absichtserklärung für das Projekt ELSA (»European Long-Range Strike Approach«), mit dem Ziel, militärische Fähigkeiten zu schaffen, die »Abschreckung und Verteidigungsfähigkeit stärken« und dafür die industrielle Grundlage zu schaffen.

Es soll um einen Marschflugkörper gehen, der eine deutliche größere Reichweite als der deutsche Taurus – der etwa 500 Kilometer weit fliegt – hat und auch land- oder seegestützt verschossen werden könnte (»deep precision strike«).

Am Rande des Gipfels war am Vortag angekündigt worden, daß die USA von 2026 an Tomahawks, Luftabwehrraketen SM-6 und neue Hyperschallwaffen in Deutschland stationiert werden.

Rußland wird auf USA-Waffen in Europa reagieren

Moskau – Rußland will militärisch auf die geplante Stationierung weitreichender USA-Waffen in Deutschland reagieren. Die russische Sicherheit werde durch solche Waffen beeinträchtigt, sagte Vizeaußenminister Sergej Rjabkow. Es handle sich um »ein Kettenglied im Eskalationskurs« der NATO und der USA gegenüber Rußland, sagte er. »Wir werden, ohne Nerven oder Emotionen zu zeigen, eine vor allem militärische Antwort darauf ausarbeiten.«

Am Rande des NATO-Gipfels hatten das Weiße Haus und die deutsche Bundesregierung mitgeteilt, daß »erstmals seit dem Kalten Krieg« wieder Waffensysteme der USA in Deutschland stationiert werden sollen, die bis nach Rußland reichen. Von 2026 an sollen Marschflugkörper vom Typ Tomahawk mit deutlich mehr als 2.000 Kilometern Reichweite, Flugabwehrraketen vom Typ SM-6 und neu entwickelte Überschallwaffen »für einen besseren Schutz der NATO-Verbündeten in Europa sorgen«.

Der für Fragen der strategischen Rüstung zuständige Vizeminister Rjabkow schloß aus, daß sich eine Entwicklung wie nach dem NATO-»Doppelbeschluß« wiederholen könnte. 1979 hatte das westliche Militärbündnis die Stationierung von atomaren Mittelstreckenraketen und Marschflugkörpern in Westeuropa angekündigt. Zugleich wurde Druck auf Verhandlungen mit der Sowjetunion gemacht, der letztlich zu den großen Verträgen über nukleare Abrüstung der 1980er Jahre führte. Er könne sich nicht vorstellen, worauf die USA und Deutschland jetzt abzielten, sagte Rjabkow. »Sie können kaum darauf setzen, daß sich diese Erfahrung wiederholt. Die Lage hat sich grundlegend geändert.«

Kritik aus China an NATO-Erklärung

Beijing – China übt scharfe Kritik an der Abschlußerklärung des NATO-Gipfels, die der Volksrepublik eine »Beihilfe im russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine« vorwirft. Die Erklärung übertreibe hinsichtlich der angespannten Lage im Asien-Pazifik-Raum und sei voll von Kriegsrhetorik, Verleumdung und Provokationen gegenüber China, sagte der Außenministeriumssprecher Lin Jian.

Die Verantwortung Chinas im Ukraine-Krieg, die die NATO propagiere, sei ungerechtfertigt, erklärte Lin. Die NATO verbreite falsche von den USA geschaffene Informationen, und untergrabe damit die Zusammenarbeit zwischen China und Europa, so der Sprecher.

Bei ihrem Gipfel in Washington verschärfte die NATO ihren Ton gegenüber China. In dem Text für die Abschlußerklärung wirft das Kriegsbündnis China vor, »entscheidende Beihilfe für Rußlands Krieg gegen die Ukraine« zu leisten und fordert China auf, »jede materielle und politische Unterstützung für Rußlands Krieg sofort einzustellen«. Dies umfasse auch militärisch nutzbare zivile Güter sowie Rohstoffe, die von der russischen Rüstungsindustrie genutzt würden.

Regierung Kenias gefeuert

Nairobi – Kenias Präsident William Ruto entläßt nach heftigen Protesten gegen seine Regierung nahezu das gesamte Kabinett. Ausgenommen sei Außenminister Musalia Mudavadi, sagte Ruto in einer Ansprache.

Auch der Generalstaatsanwalt wurde mit sofortiger Wirkung entlassen. Die Aufgaben der Minister würden bis zur Ernennung eines neuen Kabinetts von den Staatssekretären übernommen. »Ich werde sofort umfassende Beratungen mit den verschiedenen Bereichen und politischen Gruppen durchführen mit dem Ziel, eine Regierung auf breiter Basis zu bilden«, sagte Ruto. Er versprach eine »schlanke, kostengünstige, effektive« neue Regierung.

Die Proteste in den vergangenen drei Wochen richteten sich gegen ein umstrittenes Steuergesetz, Rutos Amtsführung, Korruption sowie Verschwendung öffentlicher Gelder. Demonstranten stürmten dabei auch das Parlament. Mindestens 39 Menschen kamen ums Leben, als die Polizei unter anderem mit scharfer Munition auf die Demonstranten schoß.

Technik aus China soll verschwinden

Berlin – Technik aus China soll in den deutschen Mobilfunknetzen weitgehend verschwinden. Innenministerin Nancy Faeser bestätigte, daß sich Regierungsvertreter und Mobilfunkfirmen in dem jahrelangen Streit um eine Ausmusterung von Komponenten der chinesischen Anbieter Huawei und ZTE auf einen »Kompromiß« geeinigt haben. Die Mobilfunkprovider stimmen dem Austausch zu, gegen den sie sich so lange gewehrt haben. Gleichzeitig bekommen die Unternehmen lange Übergangsfristen für den kostspieligen Umbau.

Faeser sagte, man habe »die Risiken durch kritische Komponenten chinesischer Hersteller in deutschen 5G-Mobilfunknetzen sehr genau geprüft«. »Wir haben jetzt eine klare und strikte Entscheidung getroffen. Im Kernnetz dürfen die kritischen Komponenten spätestens Ende 2026 nicht mehr eingesetzt werden. In den Zugangs- und Transportnetzen müssen die kritischen Managementsysteme spätestens Ende 2029 ersetzt werden.« Das gelte für die 5G-Netze überall in Deutschland und nicht beschraänkt auf einige wichtige Standorte.

Faeser betonte, damit schütze man die zentralen Nervensysteme des Wirtschaftsstandorts Deutschland.

Drohnenangriff auf Moskau

Moskau – Bei den nächtlichen Drohnenattacken der Ukraine ist die Stadt Moskau wieder Ziel eines Angriffs geworden. Der Vorfall sei glimpflich ausgegangen, die Drohne schon südlich von Moskau nahe der Kleinstadt Stupino abgeschossen worden, teilte der Moskauer Bürgermeister Sergej Sobjanin mit.

Das fast 700 Kilometer von der Grenze entfernte Moskau war schon mehrmals Ziel ukrainischer Drohnen. Einschläge gab es vor allem im vergangenen Sommer, als unter anderem das Business-Center Moscow City getroffen wurde. Seither wurde die Flugabwehr um Moskau massiv verstärkt.

Andere russische Regionen stehen ebenfalls unter Beschuß. Am schlimmsten betroffen war einmal mehr die an der Grenze zur Ukraine gelegene Region Belgorod. In einem Dorf wurde ein Mann durch einen Drohnentreffer auf einen Pkw getötet. In der Grenzstadt Schebekino wurden sieben weitere Menschen durch Beschuß verletzt. Die meisten Opfer erlitten Splitterverletzungen.

China prüft EU-Praktiken

Beijing – Das chinesische Handelsministerium hat am Mittwoch eine Untersuchung der Handels- und Investitionshemmnisse eingeleitet, um die Praktiken der Europäischen Union bei der Untersuchung ausländischer Subventionen zu überprüfen. Die Untersuchung wurde auf Antrag der Chinesischen Handelskammer für den Import und Export von Maschinen und elektronischen Produkten eingeleitet, deren Qualifikationen und Antragsunterlagen überprüft worden sind.

Im Rahmen ihrer Gesetzgebung zu ausländischen Subventionen hat die EU vorläufige, vertiefte Untersuchungen und Razzien bei chinesischen Unternehmen durchgeführt, die in Sektoren wie Lokomotiven, Photovoltaik, Windenergie und Sicherheitskontrollgeräten tätig sind. Die EU-Praktiken bei solchen Untersuchungen werden untersucht.

Rußland wird nicht an »Friedensgipfel« teilnehmen

Moskau – Rußland will nicht an einem möglichen zweiten »Friedensgipfel« zur Ukraine teilnehmen. Die Kiewer Vorstellungen zu einem Nachfolgetreffen der Konferenz in der Schweiz Mitte Juni seien bekannt, sagte Vizeaußenminister Michail Galusin. Es solle dabei erneut nur um die Vorstellungen des ukrainischen Präsidenten Selenski gehen, andere Friedensinitiativen würden ignoriert. »Für uns sind solche Ultimaten unannehmbar, und wir werden an solchen Gipfeln nicht teilnehmen«, sagte Galusin.

Er bezog sich auf einen Bericht der Nachrichtenagentur Bloomberg, wonach die Ukraine aktiv an einer zweiten Konferenz arbeite, an der diesmal auch Rußland beteiligt sein solle. Sie solle möglichst noch vor der Präsidentschaftswahl in den USA im November stattfinden.

Das erste Treffen auf dem Bürgenstock bei Luzern hatte die Schweiz auf ukrainische Bitte organisiert. Dabei ging es nicht um konkrete Friedensverhandlungen. Die Ukraine wollte internationale Unterstützung mobilisieren für die »Prinzipien«, nach denen aus Kiewer Sicht der Krieg beendet werden soll, die allerdings die Forderungen nach einer bedingungslosen Kapitulation Rußlands gleichkommen.

Auf einem Gipfel mit Rußland und der Ukraine gebe es zurzeit nichts zu bereden, sagte auch Regierungssprecher Dmitri Peskow. »Derzeit gibt es keinerlei Substanz. Es gibt kein Einverständnis, um welche Tagesordnung es gehen könnte«, sagte er. Präsident Wladimir Putin sei immer zum Dialog bereit, doch es müsse klar sein, worüber gesprochen wird.

Mali will Parteien wieder zulassen

Bamako – Die militärische Übergangsregierung in Mali will die Arbeit politischer Parteien nach dreimonatiger Pause wieder zulassen. Im April hatte die Junta die Arbeit politischer Parteien in dem westafrikanischen Staat ausgesetzt. Zuvor hatte ein Zusammenschluß von Oppositionsparteien und zivilgesellschaftlichen Verbänden demokratische Wahlen gefordert und mit rechtlichen Schritten gedroht.


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