Leitartikel16. Mai 2024

Arbeitskampf gegen »Union Buster«

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Über Jahrzehnte waren die Bewohner der Südstaaten der USA genauso fortschritts- wie gewerkschaftsfeindlich eingestellt. Das wird gerade geändert. Vor allem die UAW, die Gewerkschaft der Autoarbeiter, ist dort seit ein paar Jahren aktiv. Nach zwei erfolglosen Versuchen gelang es ihr im April endlich, eine Abstimmung über die Anerkennung als offizielle Salariatsvertretung des Volkswagen-Werks in Chattanooga, Tennessee zu gewinnen.

Bis morgen findet schon die nächste Abstimmung statt. Seit Montag entscheiden die Schaffenden im Mercedes-Werk Vance nahe Tuscaloosa im Südstaat Alabama über die Anerkennung der UAW. Es wird erwartet, daß die durchführende Bundesbehörde NLRB das Ergebnis noch am Freitag bekanntgibt.

In dem Werk des deutschen Konzerns in Vance produzieren mehr als 5.000 Schaffende SUVs der Luxusklasse wie die Modelle GLE und GLS, sowie die elektrischen Modelle EQS und EQE. Ein Batteriewerk von Mercedes im benachbarten Woodstock, Alabama ist ebenfalls Teil der Abstimmung. Die Gewerkschaft erklärte, die große Mehrheit der Belegschaften der Werke habe bereits Absichtserklärungen zum Beitritt in die UAW unterschrieben. Der Standort in Vance ist der größte von Mercedes in den USA und weltweit bislang einer der wenigen im Konzern ohne gewerkschaftliche Repräsentation.

Eine Signalwirkung für Alabama erhofft sich die Gewerkschaft nicht nur von der endlich erfolgreichen Abstimmung beim deutschen VW-Konzern im Nachbarstaat Tennessee. Die dank eines sechswöchigen Streiks erfolgreiche Tarifrunde der UAW bei den »Big Three« der US-amerikanischen Automobilindustrie – Ford, General Motors und Stellantis (früher Chrysler) – im vergangenen Jahr hat Wellen geschlagen und dient den Militanten der Gewerkschaft auch in Alabama als Positivbeispiel.

Hinzu kam Ende April, daß die UAW auch bei den Kollektivvertragsverhandlungen in sechs Werken von Daimler Truck, darunter vier Werke in North Carolina und Teilelager in Tennessee und Georgia, erfolgreich war und für die mehr als 7.300 Schaffenden der ausgelagerten Lkw-Sparte von Mercedes 25 Prozent mehr Lohn, deutlich bessere Arbeitsbedingungen und eine Koppelung der Lohnentwicklung an die Inflation sicherte. Für die am schlechtesten bezahlten Arbeiter bedeutet das eine Erhöhung ihres Stundenlohns um mehr als acht US-Dollar. Außerdem sahen sich andere Autokonzerne ohne Kollektivvertrag gezwungen, die Löhne ebenfalls zu erhöhen.

Doch das Patronat hat noch nicht aufgegeben. In Vance und Woodstock hetzten von reaktionären Südstaatenpolitikern unterstützte Mercedes-Manager gegen die Gewerkschaft und drohten mit dem Entzug von Investitionen und dem Abbau von Arbeitsplätzen. Mercedes heuerte extra die PR-Agentur RWP an, eine gewerkschaftsfeindliche Kampagne zu fahren. RWP bietet sich dem Patronat mit der »Dienstleistung« an, Unternehmen »gewerkschaftsfrei« zu halten. Zu den auch in Alabama wiederholt eingesetzten Waffen der in den USA »Union Buster« genannten professionellen Gewerkschaftsverhinderer zählen ungerechtfertigte Abmahnungen und Kündigungen.

Ob die Hetzkampagne des Patronats ein weiteres Mal ausreicht, den Mercedes-Arbeitern ihr Recht auf gewerkschaftliche Organisierung vorzuenthalten, wird sich zeigen. UAW-Präsident Shawn Fein jedenfalls rechnet fest mit dem Erreichen eines weiteren Meilensteins in den Südstaaten und hat erklärt, die Arbeiter hätten genug und seien »bereit, für ein besseres Leben zu kämpfen«.