Leitartikel23. Juli 2024

Die Suche nach Auswegen

von Uli Brockmeyer

Der Käpt‘n geht von Bord… Nun wird das allgemeine Chaos, das seit langer Zeit den globalen Westen beherrscht, noch deutlicher. Dringende Fragen harren einer Antwort, drängende Probleme brauchen eine Lösung. Schob man das alles bisher auf die berüchtigte lange Bank, so läuten mit dem Rückzug von Joe Biden aus dem Präsidentschaftswahlkampf in mehreren politischen Zentralen die Alarmglocken.

Die westliche Führungsmacht scheint nun führerlos, bei deren Satelliten macht sich Ratlosigkeit breit. Wird Biden auch noch aus dem Präsidentenamt zurücktreten? Wenn ja, wann? Wer ist eigentlich diese Kamala Harris, die man bisher eigentlich nur mit dem »Beinamen« Vizepräsidentin kannte? Kennt irgendjemand ihre Meinung zu solchen Themen wie Ukraine-Krieg, Nahost-Konflikt, Taiwan und China, Aufrüstung und Abrüstung, Rolle der NATO, Verhältnis der USA zur EU…? Wird sie in der Lage sein, sich an die Spitze des Wahlkampfes der Demokratischen Partei zu stellen? Oder wird noch eine andere Kandidatin oder ein anderer Kandidat aus dem Hut gezaubert? Ist eigentlich irgendjemand in der Lage, den schier unaufhaltsamen Weg des Donald Trump ins Weiße Haus noch zu stoppen?

Fragen über Fragen, von denen man eigentlich annehmen müßte, daß die zahllosen überbezahlten und überbesetzten Thinktanks, Geheimdienste und Stiftungen zumindest Positionspapiere in den Schubladen haben sollten.

Daß dem offenbar nicht so ist, zeigt der Beginn einer allgemeinen Hektik. Besonders deutlich wird das bei der einsetzenden Reisediplomatie in Sachen Ukraine. Während der sogenannte Außenbeauftragte der EU laut darüber nachdenkt, Budapest zu boykottieren, und die Außenminister der anderen EU-Länder immer noch darüber zetern, daß es der ungarische Regierungschef gewagt hat, ohne Absprache mit den Staatschefs der Ukraine, Rußlands und Chinas über mögliche Wege zu Verhandlungen über Waffenruhe und vielleicht sogar Frieden zu reden, macht sich der ukrainische Außenminister auf den Weg nach Beijing.

China hatte, was leider im »Werte«-Westen immer noch mit einem Mantel des Schweigens verdeckt wird, bereits im Februar 2023 eine aus zwölf Punkten bestehende Initiative zur Beilegung des Konflikts in der und um die Ukraine vorgelegt. Im Unterschied zu den Plänen der NATO und der EU geht es in dieser Initiative nicht um einen militärischen Sieg der Ukraine, sondern die chinesische Regierung stellt die Beachtung der Charta der UNO in den Mittelpunkt. Im Gegensatz zum westlichen Narrativ unterstützt China auch nicht einen militärischen Sieg Rußlands oder gar die Vernichtung der Ukraine. (In Luxemburg wurde der Wortlaut dieser Initiative bisher nur in der »Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek« veröffentlicht, und zwar in ihrer Printausgabe vom 28. Februar 2023.)

Angesichts der absehbaren Führungskrise des Westens, und ganz sicher auch mit der Einsicht, daß weder die USA noch die anderen NATO-Staaten die Ukraine noch weiter aufrüsten und auch nicht endlos finanzieren können, und sicher auch mit Blick auf die hoffnungslose Lage an den militärischen Fronten reist Kiews Außenminister Kuleba nun also nach China. Sollte er dort einige Erkenntnisse gewinnen und möglicherweise sogar Einsichten, und sollte der ukrainische Präsident bei seiner gegenüber einem USA-Sender geäußerten Aussage bleiben, entgegen dem von ihm selbst erlassenen Verbot auf einem »Friedensgipfel« auch mit Putin oder anderen russischen Vertretern reden zu wollen, dann hat der politische Wirbel in Washington und Umgebung vielleicht sogar positive Folgen.