Ausland08. August 2024

Anschläge im Sahel

In Mali und Niger dauern Spekulationen über auswärtige Beihilfe für Anschläge auf Pipelines und Streitkräfte an. Ukraine unterztützt Angriffe von Tuareg-Separatisten

von German Foreign Policy

Die malischen Streitkräfte sind seit geraumer Zeit dabei, die Kontrolle der Regierung in Bamako über das gesamte Land wieder herzustellen. Diese war im Norden nach der Tuareg-Revolte im Jahr 2012 verlorengegangen und konnte in der Zeit der dominanten Präsenz europäischer Streitkräfte nie wiedergewonnen werden. Im November vergangenen Jahres gelang es den malischen Streitkräften mit Unterstützung russischer Milizionäre, die weit im Norden gelegene Wüstenstadt Kidal einzunehmen, eine bekannte Hochburg separatistischer Tuareg-Clans.

In der zweiten Juli-Hälfte waren malische Soldaten, erneut mit Unterstützung russischer Milizionäre, dabei, Ortschaften nördlich von Kidal direkt an der Grenze zu Algerien unter Kontrolle zu nehmen, die sich teils bereits seit Jahrzehnten jedem Zugriff der malischen Regierung entzogen. Gegen Mitte der letzten Juli-Woche kam es dabei zu heftigen Kämpfen nahe dem Grenzort Tinzaouatene. Ob die malisch-russischen Truppen dabei in einen einfachen Hinterhalt gerieten oder von einem Sandsturm überrascht wurden, ist nicht ganz klar. Fest steht aber, daß es Tuareg-Milizen gelang, eine wohl recht hohe Zahl malischer und russischer Militärs zu töten sowie größere Mengen an Kriegsgerät in ihren Besitz zu bringen oder zumindest zu zerstören.

Kooperation
mit Jihadisten

Jenseits der Frage, wie es im Detail zu dem schweren Schlag gegen die malisch-russischen Truppen kam, wird im Sahel weithin diskutiert, ob die Tuareg-Milizen des CSP-DPA (Cadre stratégique permanent pour la défense du peuple de l’Azawad) eigenständig handelten oder ob sie Unterstützung durch Dritte bekamen. Bekannt ist, daß die Jihadisten des mit Al Qaida kooperierenden GSIM (Groupe de soutien à l’islam et aux musulmans) öffentlich angeben, sie seien an dem Angriff beteiligt gewesen. Zwar streitet der CSP-DPA dies ab. Doch fällt auf, daß der Clan des Tuareg-Anführers Iyad ag Ghali in der Region um Tinzaouatene beheimatet ist.

Ag Ghali tritt seit der Gründung des GSIM im Jahr 2017 als sein Chef auf. Über eine gewisse Zusammenarbeit des CSP-DPA mit dem GSIM wird bereits seit einiger Zeit berichtet. Eine enge Kooperation zwischen Tuareg und Jihadisten ist zudem aus dem Krieg in Mali im Jahr 2012 bekannt. Davon abgesehen wird spekuliert, ob die Tuareg des CSP-DPA in der einen oder anderen Form von Frankreich unterstützt werden. Darauf hat der senegalesische Journalist Adama Gaye hingewiesen, der bis Anfang April wegen seiner politischen Überzeugungen im Exil lebte. Belege für eine französische Unterstützung für die Tuareg liegen allerdings nicht vor.

In Paris gegründet

Fragen bezüglich des französischen Vorgehens im Sahel hatte allerdings bereits im August vergangenen Jahres der Fall Rhissa ag Boula aufgeworfen. Ag Boula, ein Anführer der Tuareg in Niger, hatte schon in den 1990er, dann in den 2000er Jahren an Aufständen gegen die Regierung in Niamey teilgenommen, später dann aber einen Ministerposten unter dem Paris nahestehenden Präsidenten Mohamed Bazoum erhalten. Am 8. August 2023, kaum zwei Wochen nach dem Putsch gegen Bazoum, hatte er in Paris die Gründung des Conseil de la résistance pour la République (CRR) bekanntgegeben – einer Organisation, die darauf abzielt, Bazoum wieder in sein Amt zu verhelfen.

Auf die Frage, ob er bereit sei, dafür einen bewaffneten Kampf zu führen, erklärte ag Boula, es gebe in Libyen rund 2.000, im Sudan und in der Zentralafrikanischen Republik weitere Tuareg, die er jederzeit mobilisieren könne. Die Putschregierung in Niamey müsse militärisch gestürzt werden, ließ er sich zitieren und fügte hinzu: »Frankreich darf Niger nicht verlassen«. Den naheliegenden Gedanken, er stimme sich in Paris mit Regierungsstellen ab, wies er zurück. Inzwischen kooperiert sein CRR im nigrischen Untergrund mit dem Front patriotique de libération (FPL), einer weiteren Gruppierung, die Bazoum erneut an die Macht bringen will. Der FPL hat am 16. Juni mit einem Sprengstoffanschlag eine wichtige Pipeline beschädigt, die nigrisches Erdöl exportiert – eine bedeutende Einnahmequelle für Niamey.

Unterstützung aus Kiew

Unabhängig davon reklamiert der ukrainische Militärgeheimdienst GUR für sich, den CSP-DPA – und seine mutmaßlichen jihadistischen Mitkämpfer – bei dem Angriff auf die malisch-russischen Truppen unterstützt zu haben. Man habe den Tuareg Spionageerkenntnisse übermittelt, teilte Andrij Jusow, ein Sprecher des GUR, mit; die »Kyiv Post« veröffentlichte ein Foto, das angeblich Tuareg-Kämpfer zeigt, die nach dem Angriff in der vergangenen Woche neben einer Azawad- eine ukrainische Fahne vor die Kamera halten.

Auch in diesem Fall lassen sich zwar die Echtheit des Fotos und das Zutreffen der Angaben nicht überprüfen. Allerdings ist aus vormals geheimen Dokumenten der USA, die im April 2023 in Auszügen an die Öffentlichkeit drangen, bekannt, daß GUR-Chef Kirilo Budanow einst einen Anschlag auf russische Milizionäre plante, die in Mali stationiert waren. Bereits zuvor war mehrfach berichtet worden, ukrainische Spezialkräfte seien in Sudan im Einsatz; sie attackierten im dortigen Bürgerkrieg russische Milizionäre – womöglich mit Scharfschützen – oder bildeten Soldaten der sudanesischen Streitkräfte aus. Das politische Ziel hat jetzt Ulf Laessing vom Sahel-Programm der Konrad-Adenauer-Stiftung (CDU) beschrieben: »Andere von Rußland umworbene Länder« würden es sich in Zukunft genauer überlegen, ob sie tatsächlich die Dienste russischer Milizionäre nutzen wollten.

»Die Junta abstrafen«

Die Frage nach einer möglichen auswärtigen Unterstützung für Angriffe und Anschläge im Sahel stellt sich auch vor dem Hintergrund der aktuellen Debatte um Optionen für die künftige Einflußnahme in der Region, wie sie nicht zuletzt auch in Berlin geführt wird. So heißt es etwa in einer aktuellen Studie der regierungsnahen Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP), nach den Putschen vor allem in Mali und Niger stehe zur Diskussion, ob man die einstigen Bemühungen fortsetzen könne, die Regierungen dort in ihrem Kampf gegen Jihadisten zu unterstützen.

Berlin hatte dies in Niger versucht, um seinen Stützpunkt in Niamey zu retten, scheiterte damit jedoch. Die Bundesregierung müsse künftig »klarer definieren«, welche Kräfte im Sahel sie »als legitim« betrachte, heißt es nun bei der DGAP. Die Denkfabrik formuliert einige allgemeine Leitlinien und dringt auf »mehr Klahreit« bezüglich der »Einordnung von Sicherheitskooperationen zwischen Putschregierungen« – etwa in Mali und Niger – »und Rußland«. Nicht zuletzt hält sie fest, daß bereits nach dem zweiten Putsch in Mali Berlin auf »Zusammenarbeit mit der Zivilbevölkerung« orientiert habe, während Paris »forciert die Junta abstrafen« wollte. Auch »nach dem Putsch in Niger«, schreibt die DGAP, habe die französische Regierung auf »hartes Abstrafen der Junta und militärisches Eingreifen« gesetzt. Anders als etwa 2010 in Côte d’Ivoire scheiterte sie damit jedoch.