Gewerkschaftliche Stimmen zum Schulanfang:
AMELUX: »Aufwertung der Diplome in der Berufsausbildung dringend notwendig!«
Gespräch mit Christian Turk, Präsident der AMELUX (Association des maîtres d’enseignement Luxembourg)
Bildungsminister Meisch hat nach vielen Jahren endlich das Thema »exzessiver Medienkonsum« entdeckt und für die Grundschulen ein generelles »Handyverbot« deklariert. Den Sekundarschulen überlässt er gemäß seines liberalen »Autonomie«-Konzepts die Initiative bei der Ausarbeitung eines »Smartphone«-Reglements. Wie betrachtet die AMELUX diese Entscheidung? Kommt sie zu spät? Stellt die »Smartphone«-Benutzung auch die Lehrer in der Berufsausbildung vor große Herausforderungen oder handelt es sich um ein nützliches pädagogisches »Tool«?
Die AMELUX stellt fest, dass die Digitalisierung vor zehn Jahren relativ plan- und konzeptlos angegangen wurde. Bei der Einführung digitaler Arbeitsmethoden hätte auch an die negativen Aspekte gedacht werden müssen. Es reicht nicht, ausschließlich eine schöne Fassade zu gestalten. Das Tablet ist jedenfalls aus der Handwerkerausbildung aufgrund der Berechnung und Verarbeitung von Daten nicht mehr wegzudenken. Was das Handyverbot an Schulen betrifft, ist die AMELUX mit der Entscheidung des Ministeriums einverstanden. Man sollte in diesem Zusammenhang betonen, dass an vielen Sekundarschulen bereits in diese Richtung gearbeitet wurde.
Die Berufs- und Handwerksausbildung wird nicht selten als Stiefkind der Bildungspolitik bezeichnet. Kann man dies weiterhin behaupten oder hat in den letzten Jahren auf politischer und ministerieller Ebene ein Umdenken stattgefunden?
Wir beobachten die gesellschaftlichen und politischen Debatten ganz genau, um zu erkennen, inwiefern sich um die handwerkliche Ausbildung und das Handwerk im Allgemeinen bemüht wird. Dabei kommen wir zum Entschluss, dass die neue Regierung nach ihrem ersten Amtsjahr noch nichts Konkretes bewirkt hat. Natürlich hat man versucht, mit einer Kampagne, das Interesse der Jugendlichen zu wecken. In unseren Augen reicht das nicht. Ein Umdenken hat unserer Ansicht nach also noch nicht stattgefunden. Leider!
Damit wären wir beim nächsten Punkt. Wie könnte die Handwerkslehre nach Ansicht der AMELUX attraktiver werden? An welchen Stellschrauben sollte unbedingt gedreht werden, was muss völlig neu konzipiert werden?
Das Hauptproblem besteht darin, dass die Diplome im Bereich der Berufsausbildung keine richtige Anerkennung genießen, demnach quasi unter Wert gehandelt werden. Es bedarf einer klaren Aufwertung dieser Diplome. Nicht jeder, der eine Mauer streichen oder Fliesen verlegen kann, ist ein ausgemachter Handwerker. Nicht jeder schreibbegabte Mensch ist ein guter Journalist. So einfach ist es nicht. Diese Einstellung scheint aber weiter in den Köpfen vieler Menschen und Entscheidungsträger verankert zu sein.
Erst eine adäquate Ausbildung führt zu umfassendem handwerklichen Können. Darüber hinaus gilt es, das schulische System der Berufsausbildung konsequent zu reformieren. Die Orientierung hin zur handwerklichen Ausbildung muss im cycle inférieur zielorientierter und interessanter werden, den jungen Schülern muss das Handwerk schmackhaft gemacht werden, d.h. die Vorteile gegenüber klassischen Büroberufen müssen deutlicher hervorgehoben werden. So ließen sich zum Beispiel Schüler rekrutieren, die in der Vergangenheit eher den Weg einer allgemeintechnischen Ausbildung eingeschlagen hätten. Außerdem sollte über eine Verlängerung des Ausbildungszyklus nachgedacht werden.
Wäre eine Vereinheitlichung und Erhöhung der Lehrlingsvergütungen ein Teil der Lösung?
Auf jeden Fall! Das wäre für viele Schüler ein Motivationsschub.
Von welchem Land in Europa ließe sich in puncto Berufsausbildung eine Scheibe abschneiden?
Die AMELUX hatte mit Kollegen aus der Schweiz ein Kolloquium organisiert, an dem Vertreter aus der Wirtschaft, dem Hochschulbereich und diversen Berufskammern teilgenommen haben. Die Schweizer haben nicht verstanden, dass die handwerkliche Ausbildung hierzulande so wenig wertgeschätzt wird. Ein Meisterdiplom, so der allgemeine Tenor aus der Schweiz, kann durchaus gleichgesetzt werden mit einem Bachelordiplom; in einigen Fällen auch mit einem Masterabschluss bzw. Doktorat. Was die praktische Ausbildung der Lehrlinge anbelangt, sind uns die deutschsprachigen Länder noch um einiges voraus, zu nennen seien hier Österreich, die deutschsprachige Gemeinschaft in Belgien und sogar Deutschland selbst.