Leitartikel16. Juli 2024

»Anschlag auf die Demokratie«

von Uli Brockmeyer

Donald Trump kann zufrieden sein. Auch wenn er seine Rede in der Provinz von Pennsylvania nicht bis zu Ende halten konnte, sind jetzt die Augen der ganzen Welt auf ihn gerichtet. Freunde und Unterstützer drücken ihr Mitgefühl aus, selbst Gegner des Ex-Präsidenten üben sich in Diplomatie und Contenance, indem sie die Schüsse von Pennsylvania voller Abscheu verurteilen. Anhänger der »Werte«-Politik in der Europäischen Union, die noch vor wenigen Tagen einen Wahlsieg Trumps im November als Gefahr für die Demokratie bezeichneten, sprechen nun brav von einem »Anschlag auf die Demokratie«.

Derweil hat sich der Präsidentschaftsbewerber nach einem kurzen Besuch im Spital mit seinem Troß aufgemacht zum »Parteitag« der Republikanischen Partei, die eigentlich längst Trump-Wahlverein heißen sollte. Dort wird er vor den Delegierten und vor den Kameras aus der ganzen Welt sein Programm »Make America Great Again« darlegen, begleitet vom Jubel der mehreren Tausend Anhänger, die aus allen Ecken der USA angereist sind. Selbst einige Politiker der »Republikaner«, die bisher zögerlich in ihrer Unterstützung waren oder sogar mehr oder weniger überzeugt gegen Trump in den parteiinternen Wahlkampf gezogen waren, werden dem »Märtyrer« huldigen.

An seiner offiziellen Nominierung als Präsidentschaftskandidat gibt es nicht den Hauch eines Zweifels, und es bestehen – erst recht nicht nach den Schüssen vom Samstag – kaum reale Chancen, daß Amtsinhaber Biden seinen Sessel im Oval Office verteidigen kann. Um Trump noch auf seinem erneuten Weg ins Weiße Haus zu hindern, bräuchte es einen Kandidaten oder eine Kandidatin von ganz anderem Kaliber als den greisen Joe Biden, aber der oder die ist bisher nicht in Sicht.

Wer sich die Geschichte der Präsidentschaft Trumps anschaut, hat bereits einen Eindruck davon, wie eine zweite Amtszeit verlaufen kann. Trump wird die USA führen, wie er es seit Jahren von seinem Familienunternehmen gewohnt ist. Nahe Verwandte sind bereits an wichtigen Schaltstellen platziert und jederzeit bereit, jegliche Anweisung des Familienoberhaupts durchzusetzen. Mit Demokratie hat das nichts zu tun, lediglich werden einigen Entscheidungen demokratisch aussehende Mäntelchen umgehängt werden.

Aus Sicht der kriegs- und machtlüsternen Anführer der EU muß man sich freilich Gedanken machen über mögliche Entscheidungen zu Krieg und Frieden, die Trump treffen wird – allerdings mit dem Ziel, die Ausgaben der USA in Grenzen zu halten oder zu reduzieren, politische Einsichten oder gar angebliche Freundschaften mit Politikern jenseits des großen Teichs spielen dabei keine Rolle.

Das Attentat von Pennsylvania kann jedoch insofern als Anschlag auf die Demokratie gesehen werden, als es dazu beiträgt, daß ein Präsident Trump 2.0 die ohnehin schwächliche bürgerliche Demokratie im eigenen Land noch weiter untergraben wird. Menschenrechte, wie sie in der entsprechenden UNO-Deklaration festgeschrieben wurden, werden nur geachtet, wenn sie Trumps Interessen nützen. Die Spaltung der Gesellschaft in »Gottes eigenem Land« wird weiter vertieft, die Gewalt weiter ansteigen, der Streit um die Rolle der USA in der Welt wird die Konflikte weiter anstacheln.

Geheucheltes Mitgefühl ist fehl am Platz. Nur die Eindämmung der bestehenden Konfrontationen, eine Politik der internationalen Zusammenarbeit, des Friedens und der Abrüstung kann weitere Gefahren abwenden.