Ausland29. Mai 2024

Stimme aus der Haft

USA: Der inhaftierte Bürgerrechtler Mumia Abu-Jamal sprach in Ralph Naders Radioshow

von Jürgen Heiser

Als der politische Gefangene Mumia Abu-Jamal am 24. April 70 Jahre alt wurde, war der US-amerikanische Bürgerrechtler seit 42 Jahren im berüchtigten Gefängnissystem des Bundesstaates Pennsylvania eingesperrt. Für den bekannten Anwalt und Aktivisten Ralph Nader Anlaß, Abu-Jamal in seiner wöchentlichen »Ralph Nader Radio Hour« persönlich zu Wort kommen zu lassen.

»Aufgrund seiner Haftbedingungen konnten wir nicht direkt mit Mumia sprechen«, ergänzte Komoderator Steve Screvan. Abu-Jamal habe jedoch auf »die Fragen mit aufgezeichneten Antworten reagiert«.

Nader begrüßte die Hörerschaft seines Podcasts am 29. April mit den Worten, ihm gehe es um das, was der »umstrittene Fall« Abu-Jamal »über unser Strafrechtssystem aussagt« und was dieser selbst darüber berichte, »wie er 40 Jahre lang Woche für Woche zu Menschen in aller Welt sprechen konnte«. Screvan ergänzte zur Vita Abu-Jamals, der Journalist und Mitgründer der Philadelphia Black Panther Party habe sich in den 1970er Jahren »äußerst kritisch« über den Rassismus des Bürgermeisters Frank Rizzo und des Philadelphia Police Department geäußert.

Als Abu-Jamal dann im Dezember 1981 am Tatort einer Schießerei in der Innenstadt von Philadelphia gefunden wurde, sei er »trotz einer Fülle widersprüchlicher und widerrufener Zeugenaussagen, zweifelhafter Behauptungen über ein Geständnis, rassistischer Voreingenommenheit und wackeliger forensischer Beweise des Mordes an einem Polizeibeamten für schuldig befunden und zum Tode verurteilt« worden. Das Todesurteil sei zwar durch einen Bundesrichter 30 Jahre später wegen »zu vieler Ungereimtheiten im ursprünglichen Prozeß« aufgehoben worden, aber er sei seitdem ein Lebenslänglicher ohne die Möglichkeit vorzeitiger Entlassung auf Bewährung.

Nader bat Abu-Jamal, die Kommerzialisierung der Staats- und Bundesgefängnisse zu kommentieren, beispielsweise die horrenden Profite der Telefonkonzerne mit den Gebühren, die Gefangene für Anrufe bei ihren Familien zahlen müßten. Abu-Jamal antwortete, er erinnere sich noch gut an Eliot Spitzer, der vor Jahren nach seiner Wahl zum Gouverneur von New York angeordnet hatte, die Anrufe im gesamten Bundesstaat New York als Ortsgespräche abzurechnen. Das habe den Konzernen nicht gefallen, sei aber »ziemlich cool« für Gefangene.

Telefonkosten seien aber ein eher kleines Problem. »Das eigentliche Problem, über das wir nachdenken sollten, sind die Kosten der Gefängnisse, die von den Bürgern mit ihren Steuern bezahlt werden«, so Abu-Jamal. Der damalige Präsident William Clinton habe in den 1990er Jahren Milliarden US-Dollar in den Neubau von Gefängnissen in ländlichen Gebieten gesteckt, als »politischer Trick«, um die Landbevölkerung dazu zu bringen, die Demokratische Partei zu wählen. Der Plan sei nicht aufgegangen, mache »die Abschaffung der Gefängnisse aber noch dringlicher«.

Auf die Frage, inwieweit er mit Mitgefangenen oder anderen politischen Gefangenen in Kontakt treten könne, antwortete Abu-Jamal, er rede mit ihnen beim Hofgang und fungiere auch »manchmal als Lehrer der Brüder um mich herum«. Mit politischen Gefangenen in anderen Knästen sei es jedoch »sehr schwierig zu kommunizieren, weil die Post zensiert wird«. Oft erhalte er die Briefe auch gar nicht.

Zu den jüngsten Entwicklungen in Gaza und zur Genozid-Klage Südafrikas gegen Israel vor dem Internationalen Gerichtshof sagte Abu-Jamal, es sei »gerecht und fair, daß sich das Land, das früher ein Apartheidstaat war, gegen den neueren Apartheidstaat« wende. »In Südafrika weiß man etwas über Apartheid.«

Das südliche Afrika wisse auch etwas über Völkermord, weil die Hereros im heutigen Namibia, der früheren Kolonie Deutsch-Südwestafrika, in Konzentrationslagern gehalten und 1904 bei ihrem Aufstand ein Großteil der 85.000 Hereros ausgerottet wurden. Jede kolonisierte Nation habe Völkermord erlebt. Südafrika sei deshalb »gut aufgestellt für die Anklage«.

Und »Israel weiß genau, was es tut«, denn der israelische Botschafter bei der UNO, Danny Danon, habe bereits am 24. Juni 2019 in der »New York Times« erklärt, für Frieden müßten die Palästinenser entweder »nationalen Selbstmord« begehen oder »kapitulieren«.