Die Welt wird nicht zum »Globus der NATO«
Rußland und China weisen Feindzuschreibungen des westlichen Militärpakts deutlich zurück und bekräftigen Kooperation
Die NATO hat auf ihrem Gipfel in Vilnius Rußland und China als die beiden großen Feinde des Militärpakts markiert. 90 Punkte umfaßt die Abschlußerklärung aus Litauen, die Russische Föderation und die Volksrepublik finden darin in etwa ebenso oft namentliche Erwähnung. Neben dem offiziellen Gipfel-Kommuniqué der Staats- und Regierungschefs wurde an die Presse lanciert, daß sich die NATO für den »Fall der Fälle« (dpa) vorbereite und in mehr als 4.000 Seiten umfassenden Geheimdokumenten konkrete militärische Einsatzmaßnahmen an Land, in der Luft und zur See sowie im Cyber- und Weltraum ausgearbeitet habe.
»Die Russische Föderation ist die größte und unmittelbarste Bedrohung für die Sicherheit der Verbündeten und für den Frieden und die Stabilität im euroatlantischen Raum«, heißt es im NATO-Papier wörtlich, gefolgt von der Feststellung: »Die von der Volksrepublik China erklärten Ziele und ihre Politik des Zwangs stellen unsere Interessen, unsere Sicherheit und unsere Werte vor Herausforderungen.« China setze ein »breites Spektrum an politischen, wirtschaftlichen und militärischen Instrumenten« ein, »um seinen weltweiten Fußabdruck zu vergrößern und seine Macht zu projizieren, während es zu seiner Strategie, seinen Absichten und seinem militärischen Kräfteaufwuchs undurchsichtig bleibt«. China versuche, »Schlüsselbereiche der Technologie- und Industriesektoren, kritische Infrastruktur sowie strategisches Material und Lieferketten unter seine Kontrolle zu bringen«.
Schlimmer noch, konstatiert die NATO: »Die immer enger werdende strategische Partnerschaft zwischen China und Rußland sowie deren sich gegenseitig verstärkenden Versuche, die regelbasierte internationale Ordnung zu unterhöhlen, laufen unseren Werten und Interessen zuwider.« China wird seitens des von den USA geführten Militärpakts in altbekannter Kolonialherrenattitüde aufgefordert, »als Ständiges Mitglied im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen eine konstruktive Rolle zu spielen, Rußlands Angriffskrieg gegen die Ukraine zu verurteilen, von jeglicher Unterstützung für die russischen Kriegsanstrengungen abzusehen, Rußlands falsches Narrativ, das der Ukraine und der NATO die Schuld für Rußlands Angriffskrieg gegen die Ukraine gibt, nicht weiter zu verstärken und an den Zielen und Grundsätzen der Charta der Vereinten Nationen festzuhalten«.
Noch während des NATO-Gipfels konterte die chinesische Vertretung bei der EU in Brüssel und wies die Vorwürfe ebenso entschieden wie selbstbewußt zurück. China werde seine »Souveränität, seine Sicherheit und Entwicklungsinteressen« entschlossen absichern. Zudem positioniere man sich entschieden gegen die östliche Expansion der NATO in den asiatisch-pazifischen Raum. Die NATO weise eine »schlechte historische Bilanz« vor, mische sich in Angelegenheiten außerhalb der eigenen Grenzen ein und schaffe Konfrontationen.
»Dies entlarvt in vollem Umfang die Heuchelei der NATO und ihr Streben nach Expansion und Hegemonie«, hieß es weiter. Die NATO-Erklärung sei ermüdend und basiere auf einer alten Leier, »geprägt von der Mentalität des Kalten Krieges und ideologischen Vorurteilen«. Das Außenministerium in Peking betonte, die NATO verwechsle »Recht und Unrecht« und habe »ideologische Vorurteile, die China entschieden zurückweist«. Die NATO behaupte, ein Verteidigungsbündnis zu sein, während sie ihre Mitgliedstaaten dazu ermutige, ihre Militärausgaben ständig zu erhöhen, ihre Macht über Grenzen hinweg auszudehnen und auch im asiatisch-pazifischen Raum Konfrontationen zu provozieren, heißt es weiter. China dagegen sei ein »Förderer des Weltfriedens«.
Ebenso deutlich reagierte das russische Außenministerium, als es der NATO die Rückkehr »zu Schemen des Kalten Krieges« vorwarf und konstatierte, daß es dem Westen um den Schutz seiner »Milliarde vor dem Rest der Menschheit« gehe »auf der Grundlage der willkürlichen Teilung der Welt in Demokratien und Autokratien«. Der Westen versuche, seine globale Hegemonie zu schützen und habe sich Rußland als Hauptziel seiner aggressiven Politik auserkoren. »Alles verdrehend wird Moskau der Unterminierung der globalen Energie- und Lebensmittelsicherheit beschuldigt.«
Von der strategischen Niederlage Rußlands träumend, baue die NATO an den russischen Grenzen offensive Waffensysteme auf und führe Manöver zum Einstudieren von Angriffen durch. Die Ukraine diene dabei als Rammbock, werde deswegen mit leeren Versprechungen und Waffen gefüttert, sei für den Westen jedoch nichts weiter als »Verbrauchsmaterial« in einem »von der NATO entfachten Hybridkrieg gegen Rußland«, erklärte das Außenministerium in Moskau. Rußland werde die Ergebnisse des NATO-Gipfels genau studieren und angesichts der erkannten Bedrohungen für die Sicherheit und Interessen des Landes reagieren: »Wir werden zusätzlich zu den beschlossenen Maßnahmen unsere militärische Organisation und das Verteidigungssystem unseres Landes weiter stärken.«
Langfristige Sicherheitszusagen der westlichen G7-Staaten für die Ukraine hält die russische Führung für einen »extremen Fehler“ und »potenziell für sehr gefährlich«. Damit werde das internationale Prinzip der »Unteilbarkeit der Sicherheit« ignoriert. Moskau hoffe noch auf »Weisheit« im Westen. Andernfalls machten die Länder Europa »für viele, viele Jahre noch viel gefährlicher«. Sicherheit könne nur unteilbar sein und nicht gefestigt werden, indem die Sicherheit der anderen ignoriert werde. »Unabhängig davon, wie weit sich die geopolitischen Pläne Washingtons und Brüssels ausdehnen, wird die Welt nicht ‚Globus der NATO‘ sein.«
Die russische Staatsduma griff derweil eine Initiative der Kommunistischen Partei der Russischen Föderation auf und will in der Ukraine zerstörte NATO-Waffen vor den Botschaften der Länder aufstellen, die das Kriegsgerät geliefert haben.