Vor 81 Jahren – der Generalstreik gegen die Nazis (2)
Sie boten den Faschisten die Stirn
Am 30. August 1942 verkündete der Chef der faschistischen deutschen Zivilverwaltung, Gauleiter Simon, auf einer Massenkundgebung in den Limpertsberger Ausstellungshallen in der Hauptstadt die sogenannten »Wehrpflichtbestimmungen« für Luxemburg. Damit wurden mit sofortiger Wirkung alle jungen Männer der Jahrgänge 1920-1924 in die deutsche Wehrmacht zwangsverpflichtet.
Anders als oft dargestellt, handelte es sich bei den darauffolgenden Streikaktionen nicht um einen »spontanen Protest«. Die Resistenzbewegung hatte seit Monaten mit der Einführung der Wehrpflicht gerechnet, und die verschiedenen Widerstandsorganisationen hatten für den Fall, dass der Gauleiter die Annexion des Landes oder die allgemeine Wehrpflicht verkünden würde, einen Generalstreik angekündigt.
Wenige Stunden nach dem Auftritt des Gauleiters versammelten sich am Morgen des 31. August 1942 in Wiltz mehrere hundert Arbeiter der Gerberei »Ideal« vor den Werktoren und traten in den Streik.
Kurze Zeit später griff der Streik auf andere Betriebe in Wiltz über, die Gerberei Lambert, die Brauerei Simon, die Gemeindeverwaltung, den Schulbetrieb, die Post, die Krankenkasse, das Katasteramt, Handwerksbetriebe und die Geschäftswelt.
Während der nachfolgenden Stunden wurden Arbeitsniederlegungen aus der Tuchfabrik und der Tabakfabrik in Ettelbrück, aus Diekirch, Echternach und Mondorf gemeldet. Die Bauern aus Arsdorf, Bilsdorf, Hoffelt, Huldingen, Kehlen, Remich und aus weiteren Ortschaften weigerten sich, Milch abzuliefern.
Als nach 18 Uhr der Arbeiter Hans Adam das Signal zum Streik im Schifflinger Hüttenwerk gab, und 2.000 Stahlarbeiter das Werk verließen, erkannten die Nazis, dass es sich nicht um spontane, lokal begrenze Streikaktionen handelte.
Am späten Abend wandte sich Gestapochef Fritz Hartmann an das Reichssicherheitshauptamt in Berlin und erhielt gegen Mitternacht von Reichsführer SS Heinrich Himmler den Befehl, den Ausnahmezustand zu verhängen.
Am 1. September wurde der Ausnahmezustand zuerst in Esch/Alzette verhängt, dann auf das ganze Land ausgedehnt, und es wurde ein Standgericht unter dem Vorsitz von Gestapo-Chef Hartmann eingesetzt.
Zu diesem Zeitpunkt hatte der Streik wie ein Lauffeuer auf zahlreiche Betriebe und Verwaltungen übergegriffen. Auf ARBED-Terres Rouges in Esch/Alzette legten 240 Beschäftigte die Arbeit nieder, auf Belval verweigerten 44 Lehrlinge der Zentralwerkstatt den Hitlergruß zum Frühsport, ebenso ihre Alterskollegen in den Escher Lyzeen, in Junglinster protestierten 50 Sägerei-Arbeiter gegen die Einführung der Wehrpflicht, und in der Zentralpost in der Hauptstadt blieben die Postsäcke ungeöffnet. Bestreikt wurden auch die Paul Wurth-Werke in Luxemburg, und auf Grube »Walert« in Rümelingen nahm nur ein Drittel der Belegschaft die Arbeit auf.
Das Standgericht tagte in der Nacht und verurteilte Streikende im Schnellverfahren zum Tode oder zur Überführung an die Gestapo, was in vielen Fällen »Erziehungslager«, Gefängnis oder Konzentrationslager bedeutete.
Am Morgen des 2. September 1942, als bereits blutrote Plakate die ersten Todesurteile und die Erschießung von Streikenden verkündeten, und die Arbeitsniederlegungen in den meisten Betrieben bereits beendet waren, kam es zum Streik im Blechwalzwerk und in der Zentralwerkstatt des Differdinger Hüttenwerks, der noch am gleichen Tag brutal von den Besatzern niedergeschlagen wurde.
Blutige Repression
Das Standgericht verurteilte sieben Arbeiter, fünf Lehrer und Professoren, zwei Postbeamte, zwei Eisenbahner, zwei Gemeindebeamte und zwei Handwerker zum Tode durch Erschießen. und überstellte 45 Männer an die Gestapo. Während der Tage des Generalstreiks erfolgten insgesamt 875 Verhaftungen. Viele der Verhafteten kamen ins Gefängnis oder ins Konzentrationslager Hinzert. Die Lehrlinge von Belval, minderjährige Postbeamte, Schülerinnen und Schüler aus mehreren Lyzeen und Studentinnen der Lehrerinnen-Normalschule in Walferdingen wurden in Umerziehungslager nach Deutschland verschleppt.
Der Ausnahmezustand wurde am 10. September 1942 wieder aufgehoben, das Standgericht aufgelöst.
Anders als etwa im Elsaß, sah sich die faschistische deutsche Besatzungsmacht nach dem Generalstreik gezwungen, darauf zu verzichten, in Luxemburg weitere Jahrgänge für die Wehrmacht einzuziehen.