Luxemburg25. Juni 2024

Von politischen Lügen und leeren Versprechen

In Esch leben 5.700 Einwohner unter der Armutsgrenze

von KP

Bezieht man sich auf die letzten Aussagen des Statec, so muss man feststellen, dass gut ein Fünftel der Einwohner des Landes sowohl einem klaren Armutsrisiko ausgesetzt sind, wie auch willentlich an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden. Nun heißt es aber auch, dass es hier Instrumente gibt, dank derer Haushalte mit »moderatem« Einkommen über die Runden kommen.

Eine Hilfe, die nicht allen, die einen berechtigten Anspruch haben, zuteilwird. Die politisch Verantwortlichen und die zuständigen Behörden sind sich nicht zu schade, über den Umweg von Pressemitteilungen und Konferenzen zu behaupten, dass alles Erdenkliche getan werde, um für Aufklärung und einen vereinfachten Zugang zu eben dieser Hilfe zu sorgen. Anhand einer 2023 erstellten Studie wird aber ersichtlich, dass es alles andere als Begleitmaßnahmen für eben jene Menschen gibt, von denen gewusst ist, dass sie sich im Behördendschungel verlieren. Es ist ja auch eher praktisch, da die Unwissenheit aber auch die Scham einen positiven Einfluss auf die Sozialausgaben haben.

Dies betrifft aktuell insbesondere drei Bereiche: Wohnen, Energie und Lebensunterhalt. Dass die extreme Belastung durch diese grundlegenden und nicht komprimierbaren Kosten dazu führt, dass sich immer mehr Menschen nicht nur schlecht ernähren, sondern auch von nahezu allen kulturellen Aktivitäten ausgeschlossen sind, ist den Privilegierten eher egal, vertreten diese doch gerne den Standpunkt: »Das haben sich die Leute doch so ausgesucht«.

Dass dem nicht so ist, und seitens der zuständigen Behörden alles Erdenkliche unternommen wird, um die Men­schen vom Antragstellen abzuhalten, aber auch allgemein die Menschen stigmatisiert werden, trägt zur politisch gewollten Ausgrenzung bei.

Daran ändern auch die von Luc Frieden rezent im Rahmen der »Lüge der Nation« nichts, wo fälschlicher angekündigt wurde, man wolle etwas gegen die Armut unternehmen. So heißt es denn auch, dass die Regierung ­ bis 2030 den Anteil der von Armut betroffenen Bürger, von einem Fünftel auf ein Sechstel reduzieren möchte.

Interessant ist dann allerdings, dass die ­ sogenannte »schweigende ­ ehrheit« es zu genießen scheint, auf andere herabblicken zu können… Die Stellung des sozialen Status wird den Menschen ja auch schon in der Schule, über die sozialen Medien und wohl auch über den Umweg der Bevormundung durch die Wirtschaft aufgezwungen. Und doch behaupten angesprochene Menschen, selbst für sich entscheiden zu können.

Versprechen, die nicht erfüllt werden

Es ist bedauerlich, dass die Politik von Menschen beherrscht wird, die meist nur über den Umweg von leeren Versprechen, den gutgläubigen Wähler überzeugen, es besser zu können wie der Vorgänger oder politischer Gegner. Aber ja, viele Wähler scheinen, über den Umweg ihres Wahlzettels, sich genau diese Art von Entscheidungsträger zu wünschen.

Nehmen wir zum Beispiel den Bürgermeister von Esch/Alzette, Christian Weis (CSV), der eigentlich schon berufsbezogen sein soziales Ego pflegen sollte, dieses nun aber offensichtlich politischen Interessen unterwerfen muss.

Er hatte, und dies ganz unaufgefordert, kurz vor Weih­nachten, einer kleinen Gruppe von Obdachlosen versprochen, dass man sich, bezogen auf die Aufgaben der Streetworker, um eine bessere Betreuung der Betroffenen und Bittstellern bemühen werde. Das Büro, das oft unbesetzt ist, sollte längst an einen für die Ausführung der sozialen Aufgaben geeigneteren Ort verlegt werden.

Was das allgemeine Konzept, respektive den Plan der Stadt betrifft, sollte es eine bessere Abstimmung zwischen den unterschiedlichen Akteuren im sozialen Bereich geben. Das »Office Social«, so das Versprechen, sollte sich fortan regelmäßig mit den Sozialarbeitern der »Stëmm vun der Strooss«, der Fixerstube, »Abrisud« und sogar den Akteuren von Caritas (die betreiben den ortsansässigen Cent-Buttek) und den Beratern des »Service médico-social« treffen, um besser und effizienter gegen Obdachlosigkeit und Armut vorzugehen.

Irgendwer wird es schon richten?

Sieben Monate später ist festzustellen, dass keine der gemachten Ansagen zur Ausführung gekommen ist. Die Obdachlosen lungern, mangels Alternativen, weiterhin in der Nähe des »Streetwork«-Büros herum. Das Sozialamt hat offiziell keine Handhabe, und bezogen auf die Aussagen des Beauftragten für Soziales, besteht hier auch keine Dringlichkeit.

Sozialschöffe Bruno Cava­leiro ist mit seinem Amt ganz offensichtlich überfordert. Er hält nichts von privaten Initiativen, die diesen Menschen, die ja auch abends hungrig sind, Essen ausgeben und auch mit Kleidung, einem Schlafsack und Hygieneartikel die Grundbedürfnisse der Ärmsten berücksichtigen. Dass die Argumente des Sozialschöffen von der grauen Eminenz, Emanuel Cornelius, vorgegeben werden, ist dem politischen Stuhlrücken geschuldet, welcher sich in Esch/­Alzette nach den Kammerwahlen aufgezwungen hatte. Dass Politiker sich Aufgabenbereiche aneignen, für welche sie nicht den Ansatz von Kompetenz haben, ist eigentlich schlimm genug, wenn sie dann auch noch schlecht beraten werden, ohne den Schwindel zu bemerken, sind sie schlicht fehl am Platze.

Fakt jedenfalls ist, dass sich nichts, aber rein gar nichts zum Besseren verändert hat. Auch die wenigen nachweisbaren Ausnahmen bestätigen leider die Regel. Fragen von Journalisten werden oft so spät wie möglich beantwortet, und dann in der Regel ohne konkrete Angaben. Aber ja, auch dies, so scheint es, ist so gewollt.

Erschreckend und teils wegweisend dann gleichfalls, dass es auch seitens der Oppositionsparteien im Gemeinderat in dieser Hinsicht kaum bis gar keinen Aktionsbedarf gibt. Sie geben sich lieber mit »Skandalen« ab, statt sich um die sozialen Probleme zu kümmern.

Wenn man seine Rechnungen nicht mehr bezahlen kann …

Derzeit zählt die Stadt Esch in etwa 37.500 Einwohner. Es gibt fast genauso viele Frauen wie Männer, und der Altersdurchschnitt beträgt 39 Jahre. Etwa 5.700 Einwohner leben unter der Armutsgrenze. Etwa 7.150 sind direkt vom Armutsrisiko betroffen. Diese waren beispielsweise nicht in der Lage, ihre Rechnungen für Miete, Hypotheken oder Versorgungsleistungen zu bezahlen, eine einwöchige Urlaubsreise zu finanzieren, abgewohnte Möbel zu ersetzen oder einmal im Monat im Freundeskreis oder mit der Familie essen oder trinken zu gehen.

Auch die »sozialen Brennpunkte«, wie es im Politikerjargon heißt, scheinen nicht direkt das Interesse der städtischen Sozialdienste zu erwecken. So treffen sich seit geraumer Zeit auf der »Brillplaaz«, oder vielmehr dem Vorplatz des Resistenzmuseums, Menschen mit offensichtlichen Suchtproblemen und sollten, wenn es denn tatsächlich etwas wie einen Sozialplan gibt, als »Kunden« der für Streetwork zuständigen Sozialarbeiter zu bewerten sein. Das ist leider nicht der Fall, weshalb nun die Polizei öfters vor Ort den »sozialen Frieden« wieder herstellen muss.