Ausland13. Juni 2024

Überraschende Erfolge für Italiens Sozialdemokraten bei EU- und Bürgermeisterwahlen

In Rom wird verfolgt, ob Meloni von der Leyen unter die Arme greift, wenn es bei ihrer Wiederwahl als Kommissionspräsidentin knapp werden sollte

von Gerhard Feldbauer

Bei den Wahlen in der autonomen italienischen Region Piemont, die am Sonntag gleichzeitig mit dem Votum für ein neues EU-Parlament stattfanden, ist der Kandidat der Forza Italia (FI) in der faschistischen Koalition von Ministerpräsidentin Georgia Meloni, Alberto Cirio, mit rund 53 Prozent zum Regionalpräsidenten gewählt worden. Seine Konkurrentin, die PD-Bewerberin Gianna Pentenero, kam auf 35 Prozent. Es war der vierte Wahlgang in diesem Jahr in den Regionen, bei denen in Sardinien M5S für Mitte-Links siegte, während in Basilikata und den Abruzzen die Brüderpartei Melonis (FdI) die Präsidenten stellte.

In Brüssel ging Meloni mit ihren faschistischen Brüdern Italiens mit 28,81 Prozent EU-weit als einzige Regierungschefin gestärkt hervor. Sie feierte das als eine Bestätigung ihres seit ihrer Wahl im Oktober 2022 verfolgten Regierungskurses. Damals hatte sie 26 Prozent erreicht. Leicht steigern gegenüber dem Resultat der Parlamentswahlen 2022 konnten sich auch Melonis Koalitionspartner: Die Lega von Infrastrukturminister Matteo Salvini, die am äußersten rechtsextremen Rand agiert und mit einem homophoben General und Mussolini-Fan als Spitzenkandidat in die EU-Wahl gegangen war, kam auf neun Prozent, die einstige faschistischen Berlusconi-Partei Forza Italia, die seit dem Tod des Mediendiktators von Außenminister Antonio Tajani geführt wird, erzielte knapp zehn Prozent. Die Parteien der Regierungskoalition kamen somit auf insgesamt 48 Prozent. Eine Nachrechnung ergibt aber, daß die Lega gegenüber der EU-Wahl 2019 Stimmenanteile eingebüßt hat, weil sie von damals 34,3 Prozent heftig abgestürzt ist. Melonis Zugewinne vermochten dies nicht zu kompensieren.

Außerdem ist der Abstand der Brüderpartei zur größten Opposition, dem sozialdemokratischen Partito Democratico (PD), in Straßburg kleiner geworden – und das sehen Beobachter als große Überraschung der EU-Wahlen in Italien. Unter Elena Schlein, die seit etwas mehr als einem Jahr am Ruder ist, hat sich der PD im Vergleich zu 2022 von 19 auf 24 Prozent gesteigert. Schlein, die am Sonntagabend mit Gitarre im PD-Hauptquartier erschien, erklärte, daß sie zur Parteichefin gewählt worden sei, um den Sozialdemokraten wieder ein linkeres Profil zu geben. »Auf diesem Weg werden wir nun weitergehen«, versprach die Oppositionschefin, die oft als »Anti-Meloni« bezeichnet wird. Die Probe aufs Exempel dürften die letzten Wahlen in der Region Umbrien im Herbst sein.

Zeitgleich fanden in 3.700 Städten des Landes noch Bürgermeisterwahlen statt, bei denen Mitte-Links Fortschritte verbuchen konnte. Einen kaum erwarteten Erfolg erreichte hier die linksgrüne Alleanza Verdi-Sinistra, die im EU-Parlament auf über sechs Prozent kam und damit die in Italien geltende Vier-Prozent-Hürde meisterte. Sie sind die Einzigen, die nun die Verluste der grünen Fraktion in Straßburg stärken können. Die Linksgrünen setzten diesen Erfolg in Bari fort, wo der Grüne Vito Laccese Bürgermeister wird. PD-Kandidaten gewannen weiter in Cagliari, Florenz und Bergamo. In der linken Hochburg Florenz wurde der Deutsche Eike Schmidt, früherer Direktor der Uffizien, der von der Brüderpartei Melonis angeheuert wurde, mit 32,86 Prozent von der PD-Frau Sarah Fumaro (43,19 Prozent) auf Platz zwei verwiesen und muß sich mit ihr in zwei Wochen zur Stichwahl stellen. In Caltanissetta und Campobasso ziehen dagegen FI- bzw. FdI-Vertreter in die Rathäuser ein.

In Rom wird gespannt verfolgt, mit wem die gestärkte Regierungschefin Meloni, zugleich Chefin der Fraktion der rechten Konservativen und Reformer im EU-Parlament, kooperieren wird. Sie wird seit Wochen sowohl von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen als auch von Marine Le Pen umworben. Die Französin, Anführerin der rechtsextrem ausgerichteten EU-Fraktion der Identitären und Demokraten, hat Meloni vorgeschlagen, die EKR mit der ID zusammenzulegen.

Die Italienerin hat sich dazu bisher nicht geäußert. Nur, daß sie »das italienische Modell nach Europa exportieren und die Linke nach Hause schicken« wolle. Es würde in Rom aber niemanden überraschen, wenn Meloni von der Leyen unter die Arme greift, wenn es bei der Wiederwahl ins Amt der Kommissionspräsidentin knapp werden sollte.