Leitartikel27. September 2024

Viel Wirbel um den Pontifex

von Uli Brockmeyer

Der Besuch des Oberhaupts der katholischen Kirche in Luxemburg hat eine Menge Staub aufgewirbelt, vor allem bei den umfangreichen Betrachtungen in den Medien vor der Ankunft des Pontifex. Im Vordergrund stand der Umgang der Kirche und des Staates mit dem Skandal bei der Caritas. Leider sind dabei die Probleme, die sich durch den Millionendiebstahl für die zumeist sehr sinnvollen Projekte der wohltätigen Organisation, und auch für das Schicksal der Mitarbeiter ergeben haben, scheinbar nebensächlich. Gut, daß sich angesichts des eher ratlosen Verhaltens der Amtskirche und des Staates nun wenigstens die Gewerkschaft OGBL in die Angelegenheit eingeschaltet hat.

In den umfangreichen Überlegungen zum Staatsbesuch ist viel vom positiven Wirken des Franziskus die Rede, von seinen schon beinahe revolutionär anmutenden Reformen – der Luxemburger Kurienkardinal Hollerich bezeichnet ihn sogar als »radikalen Reformer«.

Ja, es ist richtig, über diese Reformen zu sprechen und zu schreiben, auch wenn sie bisher kaum wesentliche Veränderungen im Leben der katholischen Christenheit erbracht haben. Aber in der relativ kurzen Zeit seit März 2013 hatte Franziskus – angesichts der in zwei Jahrtausenden entstandenen Verkrustungen der katholischen Kirche – nicht allzu viele Möglichkeiten, grundlegende Änderungen vorzunehmen, auch angesichts des Widerstands in den eigenen Reihen. Hoffnungen richten sich nun auf die letzte Tagung der Weltsynode und das von Franziskus initiierte »Projekt einer Kurienreform«. Die Rede ist vor allem von Themen wie Zölibat oder Zulassung von Frauen zu kirchlichen Ämtern, Anerkennung gleichgeschlechtlicher Ehen, Aufarbeitung von Mißbrauchs-Skandalen, aber auch die Gebrauchsfähigkeit der katholischen Lehre im Alltag der Menschen.

Interessant ist allerdings, daß das Wirken und die Äußerungen des Papstes, der sich über viele Jahre als »Kardinal der Armen« einen Namen gemacht hatte, in den hiesigen Medien recht einseitig behandelt werden. Franziskus hat sich immer wieder gegen kapitalistische Profitsucht, gegen die Rüstungsproduktion, gegen Waffen und Krieg und für Bemühungen um Frieden ausgesprochen. »Mit Waffen zerstört man jede Hoffnung auf Frieden«, sagte er im Mai 2023 vor mehr als 25.000 Gläubigen auf dem Petersplatz in Rom, wo er die internationale Gemeinschaft aufrief, »keine Mühen zu scheuen, um dem Dialog zum Durchbruch zu verhelfen und das Leid der Bevölkerung zu lindern«.

Im Ukrainekrieg berief er einen Sonderbeauftragten, der in Moskau, Kiew und weiteren Hauptstädten Möglichkeiten für eine friedliche Lösung suchte, und im März diesen Jahres forderte er die Kriegsparteien nachdrücklich zu direkten Verhandlungen auf. Verhandeln bedeute niemals Kapitulation, erklärte er in einem Interview – eine Äußerung, die ihm in den entsprechenden Kreisen einerseits totales Verschweigen, andererseits Haßtiraden bescherte.

Erst am Tag vor seiner Abreise nach Luxemburg erklärte er zum Krieg im Nahen Osten bei seiner Generalaudienz in Rom, »diese schreckliche Eskalation« müsse gestoppt werden, sie sei »nicht hinnehmbar«.

Es ist schon seltsam, daß bei allem Wirbel um den Besuch des Pontifex, der in der Frage Krieg und Frieden mehr politischen Realismus beweist als alle Staatsoberhäupter der NATO-Länder, diese Worte des Papstes in den hiesigen Medien keine Beachtung erfahren.