Ausland09. März 2023

»Auslöschen«

von Karin Leukefeld

Rechtsextreme Siedler und Minister in Israel mobilisieren gegen Palästinenser

Obwohl sie unsere Häuser zerstören, lassen wir uns nicht einschüchtern. Wir wünschen den Verletzten, daß sie bald wieder gesund werden und den Toten wünschen wir Frieden.«

Der junge Mann, der das dem katarischen Nachrichtensender »Al Jazeera« sagt, ist von Trümmern umgeben. Es ist Dienstag, der 7. März und die israelische Armee hat einen weiteren blutigen Rachefeldzug gegen das palästinensische Flüchtlingslager Jenin beendet. Die Bilder der sechs getöteten Männer werden über arabische Medien verbreitet. »Al Jazeera« zeigt in seinem Beitrag die Bahren der sechs Toten, die von Hunderten Händen gehalten werden und über einer Menschenmenge kreisen.

Das Flüchtlingslager Jenin wird von der israelischen Armee »Das Wespennest« genannt. 11.000 Menschen leben in dem Lager auf einem Quadratkilometer, 65 Prozent von ihnen sind jünger als 24 Jahre. Niemand aus dieser Generation hat jemals in einem freien Land, einem freien Staat gelebt. Die jungen Leute kennen nur die Repression der israelischen Besatzung.

Die militärische Konfrontation zwischen den Palästinensern auf der einen und den Siedlern und den israelischen Besatzungstruppen auf der anderen Seite ist nicht neu. Doch seit dem Amtsantritt der rechtsextremen Regierung von Benjamin Netanjahu hat die Gewalt zugenommen. Mindestens 74 junge Palästinenser wurden von Siedlern und der Israelischen Armee seit Beginn des Jahres 2023 erschossen. Im gleichen Zeitraum wurden 13 Israelis bei einzelnen Angriffen von Palästinensern getötet.

Siedler-Terror in Huwara

Während auf palästinensischer Seite die Angriffe zumeist von Einzelpersonen verübt werden, fühlen sich gewalttätige Siedler im besetzten Westjordanland von der neuen Regierung ermuntert, gegen die Palästinenser vorzugehen. Ende Februar stürmten rund 400 Siedler den Ort Huwara und angrenzende Dörfer und setzten Häuser, Geschäfte und Autos der dort lebenden Palästinenser in Brand. Die israelische Armee griff nicht ein, ein Palästinenser wurde erschossen. Israelische Friedensaktivisten, die den Menschen in Huwara zu Hilfe kommen wollten, wurden von der Armee gestoppt.

Der israelische Finanzminister Bezalel Smotrich erklärte wenige Tage später, Huwara solle »ausgelöscht« werden. Smotrich gehört der rechts-extremen Partei »Religiöser Zionismus« an. Nach Kritik aus der USA-Botschaft in Israel erklärte Smotrich später, er habe sich von seinen »Emotionen mitreißen« lassen und habe sich »versprochen«. Im israelischen Fernsehkanal 12 sagte er, seine »Wortwahl sei falsch« gewesen, aber »die Absicht war klar«. Die israelischen Sicherheitskräfte sollten im »Krieg gegen den Terror« offensiver vorgehen.

Hauszerstörungen im Ramadan

Dazu gehört auch, die Häuser von Palästinensern zu zerstören. Einerseits sollen angeblich »illegale« palästinensische Häuser und Dörfer dem Bau neuer Siedlungen weichen. Andererseits werden in einem Akt von Sippenhaft die Häuser von Familien mutmaßlicher palästinensischer Attentäter abgerissen.

Nach Angaben des Israelischen Komitees gegen Hauszerstörungen (ICAHD 2022) hat Israel seit der Besetzung des Westjordanlandes und Ost-Jerusalems (1967) mindestens 55.048 palästinensische Häuser, Höfe und Moscheen abgerissen.

Der israelische Minister für nationale Sicherheit Itamar Ben-Gvir kündigte Anfang März an, angeblich »illegale« Häuser von Palästinensern auch während des bevorstehenden Fastenmonats Ramadan abreißen zu lassen. Der Ramadan ist für muslimische Gläubige ein heiliger Monat, in dem gefastet, gebetet und Gutes für die Gemeinschaft getan werden soll.

Warnung vor dritter Intifada

25 ehemalige führende Polizeikommandeure warnten daraufhin Ministerpräsident Benjamin Netanjahu vor einer dritten Intifada. Die Pläne von Minister Ben-Gvir würden zu einem neuen palästinensischen Aufstand führen. Provokationen gegen die Palästinenser während des Ramadan seien inakzeptabel.

Die Minister Ben-Gvir und Smotrich vertreten Teile der extrem rechten, rassistischen und religiösen Siedlergesellschaft, die Palästinenser verjagen und deren Wohnorte dem Boden gleichmachen wollen. Ihren Haß gegen Araber stellen sie bei israelischen Feiertagen, wie dem »Flaggen-Tag« – dem Jahrestag der Besetzung Ost-Jerusalems 1967 – schamlos zur Schau.

Erst vor zwei Wochen waren in der jordanischen Hafenstadt Akaba hochrangige Vertreter von Israel, der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA), von Jordanien, Ägypten und den USA zusammengetroffen, um die angespannte Situation im israelisch besetzten Westjordanland und Ost-Jerusalem zu entschärfen. In einer »Erklärung von Akaba« verpflichteten sich Israel und die PA, die Lage zu deeskalieren und Gewalt zu vermeiden.

Der Gouverneur von Jenin, Akram Rajoub sagte nach der blutigen Razzia am 7. März dem Radiosender »Al Shams«: »Wenn es Vereinbarungen in Akaba gegeben hat, um Spannungen zu deeskalieren, dann sind sie in Akaba geblieben.«