Chance auf Zukunft
Afghanistan wird Teil des Neuen Seidenstraßenprojekts Chinas.
Afghanistan soll Teil des chinesischen Projekts der Neuen Seidenstraße (Belt and Road Initiative, BRI) werden. Darauf einigten sich am 28. Mai Vertreter Chinas und Pakistans in der pakistanischen Hauptstadt Islamabad. In Anwesenheit des afghanischen Außenministers Amir Khan Muttaqi unterzeichneten beide Staaten ein Abkommen, mit dem der chinesisch-pakistanische Wirtschaftskorridor (CPEC) nach Afghanistan erweitert werden soll. Es handelt sich um bis zu 60 Milliarden US-Dollar schwere Infrastrukturprojekte, die sich teilweise bereits im Bau befinden und das wirtschaftlich schwache Pakistan unterstützen sollen.
Die Taliban-Regierung in Afghanistan ist politisch international weitgehend isoliert. China, Rußland und der Iran kooperieren mit den Taliban vor allem durch Hilfslieferungen. Offizielle diplomatische Beziehungen gibt es nicht.
Arbeitsplätze und Stabilisierung für Afghanistan
Für Afghanistan bedeutet die Vereinbarung, daß umfangreiche Bauprojekte und Investitionen helfen können, die marode Wirtschaftslage zu überwinden. Nach mehr als 20 Jahren Krieg und dem überstürzten Abzug der von den USA geführten Koalition im August 2021 ist die Bevölkerung verarmt und die Infrastruktur im Land ist weitgehend zerstört. Die von den USA und der EU verhängten Sanktionen blockieren den Wiederaufbau und die Entwicklung in Afghanistan.
CPEC ist das größte verschiedener BRI-Projekte, von dem Afghanistan nun profitieren soll. Die USA-Administration hatte 2021 die afghanischen Vermögen auf ausländischen Banken, darunter auch Gold und ausländische Währungen der afghanischen Zentralbank, einfrieren lassen.
Die Einbindung Afghanistans in das BRI-Projekt könnte dem Land neue Manövriermöglichkeiten geben. Die Taliban hoffen auf chinesische Investitionen im Umfang von bis zu 1 Billion US-Dollar. Die marode und zerstörte Infrastruktur könnte wiederaufgebaut und die Folgen der westlichen Sanktionen abgemildert werden. Die Einbindung in das regionale Handels- und Wirtschaftsnetz kann wesentlich dazu beitragen, das Land zu stabilisieren.
Bereits im Januar 2023 hatte Afghanistan mit China einen Vertrag über Ölförderung im Umfang von 541 Millionen US-Dollar abgeschlossen. Die Laufzeit des Vertrages beträgt 25 Jahre mit einem 20-Prozent-Anteil für die afghanische Regierung. Die Kosten der Investitionen liegen bei China.
China und Afghanistan
China investiert mit der Vereinbarung vor allem in die Stabilisierung Afghanistans. In einer 11-Punkte-Erklärung hatte das chinesische Außenministerium im April die chinesische Position zu Afghanistan formuliert. Die Wahrung der territorialen Integrität, Souveränität und Unabhängigkeit Afghanistans sowie die Nicht-Einmischung in dessen innere Angelegenheiten stehen an erster Stelle. Gefolgt von dem Wunsch, daß Afghanistan eine stabile Regierung erhält, um der Bevölkerung des Landes eine gute Entwicklung und Zukunft zu sichern.
Afghanistan ist für China von geopolitischer Bedeutung. Neben den reichen Ressourcen des Landes ist Afghanistan als Kernland in Zentralasien auch eine Brücke nach Westasien und Europa. Afghanistan hat einen Beobachterstatus in der Schanghai Organisation für Kooperation (SCO). Sämtliche Nachbarländer Afghanistans – Pakistan, Iran, Usbekistan, Tadschikistan, Turkmenistan – sind SCO-Mitgliedstaaten.
Afghanistan ist auch aus sicherheitspolitischen Aspekten von Bedeutung für China. Mit dem Kontakt zu den Taliban und der begonnenen Zusammenarbeit will Chinas Regierung verhindern, daß radikale islamische Gruppen und deren Gedankengut über die kurze gemeinsame Grenze von knapp 100 Kilomenetern in den Westen Chinas gelangen, wo die muslimischen Uiguren leben.
China und der Westen
Die Stärke der chinesischen Außenpolitik gegenüber Afghanistan liegt im Gegensatz zum westlichen Ansatz in dem erklärten Prinzip der Nichteinmischung, wie es in der UNO-Charta verankert ist. Im gegenseitigen Handel sollen die Interessen aller Beteiligten berücksichtigt werden, und China bietet Geld und Investitionen, um bei der Entwicklung eines schwächeren Staates zu helfen. Die dadurch entstehende Stabilität ist im Interesse Chinas. Der große Zuspruch, den China für seine Politik von anderen Staaten in Asien, Afrika, Lateinamerika und auf der arabischen Halbinsel erfährt, spricht für sich.
Der von den USA vorgegebene westliche Ansatz zeichnet sich dagegen vor allem durch falsche Versprechen und Anspruch auf Dominanz – vor allem auch militärische Vorherrschaft – aus. Viele Länder von Afghanistan bis Libyen und Syrien sind deutliche Beispiele für diese Politik. Der angebliche Kampf der USA für »Freiheit und Demokratie« wird in diesen Ländern mit Tod, Verwüstung und Vertreibung verbunden.
Während China Straßen und Schienennetzte baut, errichten die USA Militärbasen und – wie im Irak und im Libanon – überdimensionale Botschaften, um ihre Ansprüche auf Vorherrschaft zu manifestieren.
»EU Global Gateway«
Die Europäische Union ist darum bemüht, das Projekt der Neuen Seidenstraße Chinas mit einem eigenen Projekt einzudämmen. Mit dem »Global Gateway« (Globales Tor) hat die EU-Kommission ein Projekt im Umfang von 300 Milliarden Euro aufgelegt, mit dem ebenfalls Infrastruktur für Transport und Energieerzeugung in Afrika und Asien ausgebaut und wirtschaftliche »Partnerschaften« aufgebaut werden sollen.
Straßen, Brücken, Autobahnen, Zuglinien und Häfen, Gasförderung und Produktion von »Grünem Wasserstoff« sollen in Konkurrenz zum chinesischen BRI- Projekt errichtet werden. Aktuell ist die EU allerdings mit dem Krieg in der Ukraine beschäftigt. Durch die enge Partnerschaft mit NATO und USA – nicht nur in der Ukraine – steht die Militarisierung der EU – bis hin zum Südchinesischen Meer – zunehmend im Vordergrund. Das kostet Zeit und Geld, mit der Folge, daß das Projekt »Global Gateway« kaum vorankommt.
Das Neue Seidenstraßenprojekt Chinas entwickelt sich seit zehn Jahren. China ist an Kooperation interessiert und geht bedächtig voran, während die EU gegenüber anderen Ländern Vorgaben macht, wenn sie sich an »Global Gateway« beteiligen wollen. Das Neue Seidenstraßenprojekt wächst zusammen, die Shanghai Organisation für Kooperation, BRICS und die BRICS Bank für Entwicklung entwickeln sich in immer größeren Dimensionen.
»Treffen der Freunde von BRICS«
Beim Treffen der Außenminister der BRICS-Staaten im südafrikanischen Kapstadt Anfang Juni 2023 nahmen auch die Außenminister des Iran und Saudi-Arabiens teil. Darüber hinaus wurde gemeldet, daß rund 20 Staaten aus dem »globalen Süden« ihr Interesse an einer engeren Zusammenarbeit mit BRICS bis hin zur Mitgliedschaft in der Organisation deutlich gemacht haben.
An einem »Treffen der Freunde von BRICS« am 2. Juni in Kapstadt konnte Südafrikas Außenministerin Naledi Pandor offizielle Vertreter aus dem Iran, Saudi Arabien, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Kuba, der Demokratischen Republik Kongo,der Komoren, aus Gabun und Kasachstan begrüßen. Ägypten, Argentinien, Bangladesch, Guinea-Bissau und Indonesien nahmen per Videoschalte an dem Treffen teil.