»Partnersuche« ohne Erfolg
Schlechte Resonanz auf anmaßenden Besuch aus Berlin. Deutsche Außenministerin will Brasilien »Partnerschaft der Demokratien« anbieten
Sie stießen vor allem auf Desinteresse: In der vergangenen Woche tourten die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock von den Grünen und der sozialdemokratische Arbeitsminister Hubertus Heil für sechs Tage durch einen Teil Lateinamerikas. Selbst staatstragende bundesdeutsche Medien finden nichts, was sie daheim als Erfolg darstellen könnten. Und in lateinamerikanischer Zeitungen oder Nachrichtenportalen wird nur fündig, wer die Namen »Baerbock« und »Heil« in die Suchmaske eingibt. Im globalen Süden gibt es wichtigere Themen als die »doppelte Charmeoffensive« (tagesschau.de) deutscher Politiker, die Fachkräfte anwerben und »Brasilien den deutschen Ukraine-Blick« (Frankfurter Allgemeine Zeitung, FAZ) erklären wollen.
Der »komplizierte Freund« habe »anderes zu tun«, stellte sogar die FAZ in einer Überschrift fest. »Präsident Lula und ihr brasilianischer Amtskollege haben keine Zeit für Baerbock«, so die Zeitung über das eindeutige Signal der dortigen Regierung. Nicht einmal Außenminister Mauro Vieira zeigte Interesse an Frau Baerbock. Minister Vieira hatte sich stattdessen lieber am Freitag zuvor – am Rande eines Gipfels der Außenminister der BRICS-Staaten (Brasilien, Rußland, Indien, China und Südafrika) in Kapstadt – mit dem russischen Außenminister Sergej Lawrow getroffen.
Im April war Lawrow bei einem Besuch in Brasília unter anderem auch von Präsident Luiz Inácio Lula da Silva empfangen worden, der sich ausgiebig Zeit nahm, seinem Amtskollegen den brasilianischen Vorschlag zur Vermittlung eines Dialogs zwischen Rußland und der Ukraine zu erläutern, der auf ein Friedensabkommen zur Beendigung des Krieges abzielt. Die russische Delegation habe sich nach dem Gespräch zufrieden über »Brasiliens Bemühungen, eine Lösung für die Situation in der Ukraine zu finden«, geäußert, so das Nachrichtenportal »Brasil de Fato«.
Über Baerbocks Besuch berichtete »Brasil de Fato« unter der Überschrift »Deutsche Diplomatiechefin fordert Brasilien auf, seine Haltung zum Krieg in der Ukraine zu ändern« eher beiläufig. Anders als EU und USA haben Brasilien und Lateinamerika keine Sanktionen gegen Rußland verhängt, erinnerte das Portal. Während Präsident Lula da Silva und sein Außenminister Mauro Vieira die Beziehungen ihres Landes zu China und Rußland gerade ausbauen, gab die Grünen-Politikerin aus Deutschland den Gastgebern dazu erneut ungebetene Ratschläge.
»Autoritäre Regime« wollten »die Welt in Einflußsphären aufteilen und Länder unterwerfen«, statt »die selbstbestimmte Entwicklung aller Staaten zu respektieren«, sagte die Ministerin laut einem dpa-Bericht, ohne China direkt zu erwähnen. Während China seit Jahrzehnten Brasiliens wichtigster Handelspartner ist, kam die Politikerin aus Berlin mit leeren Händen. »Baerbock bietet Brasilien Partnerschaft der Demokratien an«, so deutsche Medien über eine Rede, die sie an der Privathochschule Fundação Getúlio Vargas (FGV) halten durfte.
Mit Vertretern der Regierung hatte sie nur wenig Kontakt. »In Brasília traf Baerbock mit Umweltministerin Marina Silva zusammen. In einer gemeinsamen Erklärung betonten beide ihren Wunsch, in der Klimapolitik Seite an Seite voranzukommen«, so »Brasil de Fato« über ein nichtssagendes Treffen. »In Brasilien stellt Baerbock grüne Ideologie über deutsche Interessen«, kritisierte die konservative Springer-Zeitung »Die Welt« die Auftritte Baerbocks bei ihrem ersten Besuch in Lateinamerika.
Ein weiteres Ziel der Reise, die auch nach Kolumbien und Panama führte, bestand darin, Fachkräfte des Gesundheitswesens für eine Tätigkeit in Deutschland abzuwerben. Während in Brasilien Ärzte, Krankenpfleger, medizinische Einrichtungen, Diagnosetechnik und Medikamente fehlen, erklärte Baerbock: »Brasilianische Pflegekräfte und kolumbianische Elektriker werden in Deutschland bereits mit offenen Armen empfangen. Wir wollen diese Partnerschaft ausbauen.«
Die Ankündigung, in einer Mangelsituation weitere qualifizierte Arbeitskräfte aus der Region abzuwerben, kommt in den besuchten Ländern nicht gut an. Spitzenpolitiker in Brasilien zeigten den anmaßenden Besuchern aus dem Norden wohl auch deshalb die kalte Schulter.