Leitartikel18. Juli 2024

»Keep Schengen alive!«

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Am vergangenen Sonntag endete die 17. Fußball-Europameisterschaft der Männer in Deutschland mit dem sportlich bekannten Resultat. Während des Turniers hatte die deutsche Bundesregierung wieder einmal Schengen sein lassen und Grenzkontrollen eingeführt. Um Gewalttäter Sport, illegale Migranten und andere Kriminelle an der Einreise nach Deutschland zu hindern, wie es hieß.

Die EM ist vorbei und die Grenzkontrollen nach dem morgigen Freitag dann auch. In der Folge soll es wieder die übliche »Schleierfahndung« bis 30 km ins Hinterland geben. Wer regelmäßig Richtung NRW unterwegs ist, trifft häufiger bei Prüm auf kontrollierende Beamte. Dem deutschen Innenministerium zufolge ist eine Verlängerung nicht geplant. Die Bilanz aus der Nervenprobe, die Berufspendler und andere Reisende ohne Fußball-Bezug seit dem 7. Juni erdulden mußten, liest sich laut deutscher Regierung mit einem vollstreckten Haftbefehl, zwei Hooligans und 133 gestoppten illegalen Einreisen bis einschließlich 27. Juni so positiv, daß in Teilen der Regierung, aber auch bei der größten Oppositionspartei die Lust auf unbefristete und dauerhafte Grenzkontrollen, wie es sie bereits seit Jahren an der bayerischen Grenze zu Österreich gibt, gewachsen ist. Dort staut sich der Verkehr bei Passau, Salzburg oder im Allgäu bei Füssen zu Spitzenzeiten oft kilometerweit.

Aus der Regierungspartei FDP ist in Berlin zu hören, daß es so lange weitergehen möge mit den Kontrollen, bis eine EU-Lösung für mehr Sicherheit an den Außengrenzen vorliege. Der EU-Bürger, dem Bewegungsfreiheit im gesamten Bündnisraum immer wieder in bunten Publikationen, wie sie etwa im Besucherzentrum in Schengen zur Mitnahme ausliegen, als Errungenschaft des Staatenbundes ins Gedächtnis gerufen wird, soll also nach der befristeten Zeit der Europameisterschaft am besten dauerhaft in Geiselhaft genommen werden, bis die EU liefert, was Deutschland gerne hätte. »Kontrollierte Grenzen bleiben offene Grenzen« wird im »Tageblatt« der Sprecher der CDU/CSU-Fraktion im deutschen Bundestag, Alexander Throm, zitiert. Mehr Zynismus aus dem fernen Berlin geht offenbar nicht.

Die aktuelle Bundesregierung hat zum jetzigen Stand nicht vor, die Kontrollen zu verlängern, die zuletzt jede Fahrt nicht nur für heimkehrende deutsche Berufspendler, sondern auch für Bewohner Luxemburgs, die etwa Freunde in Trier oder dem Saarland besuchen wollten, auf die Probe stellten. Und wenn es auch im Saarland politische Fürsprecher für unbefristete Grenzkontrollen gibt, erscheint dies noch unglaublicher im Angesicht des fortwährenden Großregion-Geschwafels, welches am Ende, wie das Schengener Abkommen, für einige immer wieder aufs Neue das Papier nicht wert zu sein scheint, auf dem es gedruckt steht. Offenbar geht es für die andere Seite von Sauer und Mosel nur darum, daß der Güterverkehr unbehelligt bleibt und ihre Grenzpendler Kaufkraft heimschaffen. Wie in der Corona-Zeit, als Lkws und Grenzgänger mit Ablaßbriefen passieren durften, während die deutsche Polizei mit der Hand an der Waffe aus fahrenden Streifenwagen sprang, um Luxemburger am Brötchenkauf jenseits der Sauer zu hindern. Anschließend wurde dann in Schengen günstig Kaffee gekauft und getankt. Böses Blut unter Nachbarn, die zuvor seit Jahren keine Grenze mehr wahrnahmen, war die Folge.

Die luxemburgische Regierung muß hier ein Auge auf den Entwicklungen behalten und, soweit es in ihrer Macht steht, intervenieren, um die Freizügigkeit ihrer Bürger zu verteidigen. Gemeinsame offene Grenzen sind keine Interessens-Einbahnstraßen. Oder wie ein Transparent während der dunklen Monate im Jahr 2020 auf der Moselbrücke verkündete: »Keep Schengen alive!«