Meloni will ihre Macht zementieren
Italien: Gesetzentwurf sieht Direktwahl des Regierungschefs vor
Nach einem Jahr des Zögerns will die faschistische italienische Regierungschefin Georgia Meloni nun ernst machen und ihre Macht zementieren. Ihre ursprüngliche Absicht, eine Art Präsidialregime zu errichten, in dem nach französischem Vorbild der Premier dem Staatspräsidenten unterstellt wird, hat sie aufgegeben, da eine Zustimmung durch den derzeitigen, noch bis 2029 amtierenden Präsidenten Sergio Mattarella fraglich wäre. Melonis Kabinett hat daher Ende vergangener Woche einen Gesetzentwurf verabschiedet, demzufolge der Premier unter Ausschluß des Parlaments direkt gewählt werden soll.
Des Weiteren soll die Parteienkoalition, die den direkt gewählten Premier unterstützt, automatisch 55 Prozent der Sitze in beiden Parlamentskammern innehaben. Meloni argumentiert, daß die durchschnittliche Regierungszeit in Italien seit dem Zweiten Weltkrieg nur bei nur 14 Monaten lag. Eine Verfassungsreform, die den Weg zur Direktwahl des Premiers frei macht, würde daher für »mehr Stabilität« im Palazzo Chigi (Regierungssitz) sorgen. Die Befürchtung, mit der Reform würden die Rechte des Staatspräsidenten de facto aufgehoben, beschwichtigte sie mit der Erklärung, daß die Befugnisse des Colle, also des Präsidenten, »nicht untergraben« würden.
Die kommunistische Tageszeitung »Il Manifesto« bezeichnete dies als pure Heuchelei, denn durch die Stärkung des Ministerpräsidenten würden die Befugnisse des Staatspräsidenten drastisch eingeschränkt. Zerbricht eine Regierung, kann der Staatspräsident derzeit nach neuen Mehrheiten im Parlament suchen – auch unter Einschluß der Oppositionsparteien – oder einen Technokraten einsetzten, der die Regierungsgeschäfte übernimmt. Letzteres geschah beispielsweise 2021: Ohne Neuwahlen hat Präsident Mattarella damals den Technokraten und früheren EZB-Chef Mario Draghi zum Ministerpräsidenten ernannt. Nach Melonis Plänen käme dafür in Zukunft nur ein Parlamentarier der – oder besser: ihrer – Regierungsmehrheit in Frage. Denn durch die Reform hätte Meloni in beiden Kammern »eine verfassungsmäßig gepanzerte Mehrheit«, kommentierte »Il Manifesto«.
Obendrein behauptete Meloni, daß es bereits »interne Gespräche« mit dem Büro des Präsidenten gegeben habe, so »wie es bei allen Maßnahmen der Fall ist«. Dies wurde jedoch von italienischen Medien in Frage gestellt: Das Präsidentenbüro habe sofort dementiert, über die verschiedenen Schritte informiert worden zu sein. Eine Verfassungsreform durchzusetzen, birgt auch Risiken für die Regierungschefin. Denn dafür ist in beiden Kammern eine Zweidrittelmehrheit – also von 266 Abgeordneten und 133 Senatoren – erforderlich. Die Regierungskoalition verfügt jedoch nur über 237 Abgeordnete und 115 Senatoren. Auch eine von Italia Viva, der Kleinpartei Matteo Renzis, zugesagte Unterstützung würde nicht reichen.
Die großen Oppositionsparteien der Sozialdemokraten und der Fünf-Sterne-Bewegung haben bereits ihre Zustimmung verweigert. Sollte der Parlamentsweg scheitern, könnte die Verfassung auch über ein Referendum abgeändert werden. 2016 hatte der damalige sozialdemokratische Premier Renzi bereits versucht, die Verfassung auf diese Weise zu ändern. Sein Versuch scheiterte und er mußte in Reaktion darauf zurücktreten. Da sich Staatspräsident Mattarella mit einem Vertrauensbonus von 70 Prozent hoher Beliebtheitswerte in der Bevölkerung erfreut, könnte dies im Fall eines Referendums zu einer Ablehnung der Verfassungsreform führen. Der sozialdemokratische Partito Democratico (PD) lehnt die Verfassungsreform entschieden ab und drängt derweil auf »eine Koordinierung der Minderheitskräfte«. Der Präsident des PD im Senat, Francesco Boccia, warnte sogar davor, daß die Reform ein Test für die Beseitigung der parlamentarischen Republik sei.