Ausland08. Dezember 2022

Afrika als Absatzmarkt und Rohstofflieferant

Deutsche Industrie plant Rohstoffausbeutung »auf Augenhöhe« und macht Front gegen China

von Christian Selz, Kapstadt

Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) ruft einmal mehr zum Wettlauf um Afrika auf. Der Kontinent gewinne »für Deutschland rasant an strategischer und wirtschaftlicher Bedeutung«, heißt es auf der Internetseite des Lobbyverbands zur Vorstellung eines 40-seitigen Positionspapiers mit dem Titel »Neustart der deutsch-afrikanischen Beziehungen«. Worum es eigentlich geht, schreibt BDI-Präsident Siegfried Russwurm fairerweise gleich im Vorwort: »Der Kontinent ist entscheidend, um die ausgeprägte Abhängigkeit einzelner Branchen von asiatischen Absatzmärkten zu reduzieren. Gleichzeitig ist er Schlüssel für viele Rohstoffe und grünen Wasserstoff.«

Die Ausbeutung der Rohstoffe biete »gänzlich neue Möglichkeiten der Zusammenarbeit auf Augenhöhe«, frohlockt der Cheflobbyist. Bis auf den Vorschlag, Deutschland möge sich doch dafür einsetzen, das der afrikanische Kontinent durch ein geplantes EU-Satellitennetz für »Internet aus dem All« »mit abgedeckt« werde, liefert die BDI-Initiative jedoch selbst bei wohlwollender Auslegung wenig Anhaltspunkte, worin die neue »Augenhöhe« bestehen soll. Klar wird statt dessen, daß Afrika auch weiterhin einerseits Absatzmarkt für deutsche Industriegüter und Dienstleistungen sowie andererseits Rohstofflieferant sein möge.

Neun Kapitel umfaßt das Strategiepapier des BDI, gleich im ersten steht eine klare Handlungsanweisung zur Erschließung neuer Märkte. Die Bundesregierung solle die Umsetzung der offiziell zu Jahresbeginn 2021 in Kraft getretenen Regelungen zur afrikanischen Freihandelszone African Continental Free Trade Area (AfCFTA) »weiterhin unterstützen«. 54 von 55 afrikanischen Staaten haben das Abkommen unterzeichnet, beim Abbau von Handelsregularien sind die meisten Regierungen aber dennoch zurückhaltend, weil sie den Niedergang einheimischer Industrien fürchten.

Afrikanische Wirtschaftswissenschaftler kritisieren, daß die Freihandelszone vor allem Großunternehmen nützen dürfte, zu Lasten kleinerer lokaler Produzenten. Der BDI schreibt hingegen, daß »größere Märkte und freier Kapitalverkehr die Attraktivität für lokale und ausländische Investoren« steigern – und weiß sicherlich auch, welche der beiden Gruppen tiefere Taschen hat. Afrika soll also verstärkt als verlängerte Werkbank genutzt werden, hauptsächlich aber gilt: »Die regionale Wirtschaftsintegration ist auch für die deutsche Industrie von großer Bedeutung, da sich durch die Freihandelszone neue Absatzmärkte ergeben.«

Um diese Märkte risikoarm erschließen zu können, will die deutsche Industrie »Entwicklungszusammenarbeit und Außenwirtschaftsförderung verzahnen« (Titel des fünften Kapitels), sprich: Investitionen durch staatliche Bürgschaften absichern lassen. Zudem fordert der BDI, die Entwicklungszusammenarbeit auf den Ausbau von Infrastruktur zu fokussieren (Kapitel sechs) – also genau das zu tun, was man China so gern vorwirft.

Der Zweck der neuen Infrastruktur steht schon im zweiten und dritten Kapitel: Wasserstoff, selbstverständlich »grün«, soll im Rahmen von »Win-Win-Partnerschaften« produziert und dann nach Deutschland exportiert werden. Des weiteren begehrt sind Bodenschätze, »z.B. Kobalt oder Metalle der Platingruppe«, die für Elektroautos und Katalysatoren benötigt werden. Für eine »adäquate Sicherung der Importe« will der BDI »nachhaltige Rohstoffkooperationen aufbauen«, geht zugleich aber auch davon aus, daß Öl- und Gasimporte aus Afrika »für Europa in Zukunft an Bedeutung gewinnen«.

Relativ unklar bleibt bei alledem, was für die afrikanischen Win-Win-Partner an dieser Extraktion von Ressourcen »nachhaltig« oder überhaupt gewinnbringend sein soll. Erklären darf das jedoch der deutsche Wirtschaftsminister Robert Habeck, der am Sonntag zunächst nach Namibia reiste, um über ein Wasserstoffprojekt zu sprechen, und dann den vom BDI mitorganisierten Deutsch-Afrikanischen Wirtschaftsgipfel (German African Business Summit, GABS) im südafrikanischen Johannesburg besucht.