Aus den Betrieben01. April 2021

Der Ausverkauf von Paul Wurth ist perfekt

Fragen des OGBL bleiben bis dato unbeantwortet

Ali Ruckert

Am 29. Februar dieses Jahres hatte die »Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek« darüber berichtet, dass die Regierung die staatlichen Anteile am Anlagenbauer Paul Wurth an die deutsche SMS Holding GmbH verkaufen wolle. Bis dato war der Luxemburger Staat direkt oder indirekt über die Nationale Kredit- und Investitionsgesellschaft und die Staatssparkasse BCEE im Besitz von 48,1 Prozent der Aktien von Paul Wurth.

Weitere Aktionäre waren bisher die Beteiligungsgesellschaft Luxempart mit 11 Prozent, die der börsennotierten belgischen Holding Sofina und der Beteiligungsgesellschaft Foyer Finance gehört, und die SMS Holding GmbH mit 40,9 Prozent, die im Alleinbesitz der Familie von Heinrich Weiss ist. Die SMS hatte angekündigt, sämtliche Aktien aufkaufen zu wollen.

Inzwischen wurde der Verkauf abgeschlossen, wie aus einer internen Note der Generaldirektion von Paul Wurth an die Belegschaft hervorgeht.

Als vor einem Monat die Nachricht über den Verkauf bekannt wurde, hatte der OGBL den Wirtschaftsminister und den Finanzminister um ein Dringlichkeitsgespräch gebeten. Da das ohne Folgen blieb, wiederholte die Gewerkschaft am 30. März ihr Anliegen und beantragte gleichfalls ein Dringlichkeitsgespräch mit dem Generaldirektor von Paul Wurth Luxemburg.

Die Gewerkschaft will unter anderem wissen, welche Motivation der Staat hatte, um die Aktien zu verkaufen, welche Auswirkungen der Aktienverkauf langfristig auf die Beschäftigung haben wird, auch nach dem »Plan de maintien dans l’emploi«, der 2023 auslaufen wird, welcher Postenabbau, beziehungsweise welche Auslagerungen von Betriebsabteilungen vorgesehen sind, und ob, beziehungsweise welche Garantien der Staat für die Beschäftigten ausgehandelt hat.

In einer Stellungnahme bedauerte auch der LCGB den Rückzug des Staates aus dem Unternehmen Paul Wurth und fordert formelle Verpflichtungen seitens der SMS-Gruppe.

Stahlproduktion auf der Grundlage von Wasserstoff

Paul Wurth revolutionierte bekanntlich die Hochofentechnologie mit der Erfindung des glockenlosen Gischtverschlusses, die seither in der ganzen Welt eingesetzt wird. Heute ist das Unternehmen noch immer in der Auslegung und Umsetzung von Hochofengesamtanlagen und Kokereien tätig, plant und verwirklicht Bau- und Infrastrukturprojekte und forscht im Bereich der Nutzung von Wasserstoff.

Noch vor dem Verkauf hatte SMS angekündigt, Paul Wurth Luxemburg zu ihrem weltweiten Kompetenzzentrum für die Entwicklung eines Verfahrens für die Produktion von Stahl auf der Grundlage von Wasserstoff machen zu wollen.

Parallel dazu hatten SMS, Paul Wurth und die Universität Luxemburg am 4. März dieses Jahres eine Vereinbarung zur Einrichtung und Finanzierung eines Lehrstuhls an der Uni Luxemburg unterzeichnet, mit dem Ziel, Spitzenforschung auf dem Gebiet der Wasserstoffverarbeitung und verwandter Aspekte kohlenstoffneutraler Industrieprozesse zu betreiben.

Dazu passt, dass Paul Wurth, Liberty Steel und Stahl-Holding-Saar am 23. Februar 2021 eine Absichtserklärung zur Entwicklung eines großen Stahlwerks auf Wasserstoffbasis in Frankreich unterzeichneten.

KPL gegen den Ausverkauf

Die KPL hatte sich in jüngerer Vergangenheit wiederholt kategorisch dagegen ausgesprochen, Aktien, die im Besitz des Staates sind, an Privataktionäre zu verkaufen und hatte in diesem Zusammenhang von einem Ausverkauf gesprochen, welcher den wirtschaftlichen Interessen des Landes schade.

Als Alternative hatte die KPL die Schaffung eines staatlichen Beteiligungsfonds vorgeschlagen, in welchem sämtliche staatlichen Beteiligungen zusammengeführt werden sollten und der hierzulande in großem Umfang Investitionen vornehmen und Einfluss auf die wirtschaftliche Entwicklung nehmen sollte.