Leitartikel14. Mai 2024

Ein »unpolitischer« Musik-Contest

von Uli Brockmeyer

Bei der Protestdemonstration gegen den israelischen Angriffskrieg in Gaza, organisiert am Samstag vom Komitee für einen gerechten Frieden im Nahen Osten (CPJPO) in der Stadt Esch/Alzette, hatte die junge Fatima aus Gaza, deren Familie seit Jahren in Luxemburg lebt, nur noch Tränen und Wut übrig, als sie über die Politik der Luxemburger Regierung sprach, die zwischen angedeuteter Solidarität mit den Palästinensern, über Gleichgültigkeit mit deren Schicksal und Komplizenschaft bis hin zur offenen Unterstützung des Aggressors hin und her pendelt.

Erst am 10. Mai hatte Luxemburg in der UNO-Generalversammlung für eine Resolution gestimmt, die den Status Palästinas im System der Organisation der Vereinten Nationen erhöhen soll. Dennoch gehört Luxemburg zu den Ländern, die Palästina bis heute nicht völkerrechtlich als Staat anerkennen.

Es ist vor allem die Gleichgültigkeit, die die junge Fatima am Samstag erregte. Viele Male habe man sich an die Regierung und persönlich an Außenminister Bettel gewandt, um Hilfe für Palästinenser zu erbitten, ohne greifbares Ergebnis. Im Vergleich zu den Flüchtlingen aus der Ukraine erhalten die hiesigen palästinensischen Flüchtlinge »nicht einmal zwei Prozent Unterstützung«, sagte sie.

Das ist leider die bittere Realität. Denn Luxemburg folgt wie die Führungen aller NATO- und EU-Staaten dem offiziellen Narrativ, daß der Staat Israel durch die Palästinenser in seiner Existenz bedroht werde, und ignoriert dabei, daß das palästinensische Volk seit der Gründung des Staates Israel systematischer Vertreibung, Unterdrückung, rassistisch motivierter Verfolgung unterworfen ist. Gezielte Tötungen, willkürliche Verhaftungen, jahrelange Einkerkerungen ohne Gerichtsurteil, Zerstörungen von Wohnhäusern gehören zum traurigen Alltag – zu verantworten durch den Staat, der im »Werte-Westen« gern als »einzige Demokratie im Nahen Osten« bezeichnet wird.

Viele Jahre hat es gedauert, bis diese Haltung auch beim Eurovision Song Contest auf offenen Protest und Widerstand gestoßen ist. Bereits Wochen vor dem Spektakel in Malmö gab es vielfältige Forderungen aus aller Welt, Israel aus dem Contest auszuschließen. Immerhin sind Rußland und Bjelorußland wegen des Krieges in der Ukraine ausgeschlossen worden. Schließlich sahen sich die Veranstalter gezwungen, die israelische Teilnehmerin zu ersuchen, den Titel und den Text ihres Beitrags zu verändern, weil er sich eindeutig auf die Ereignisse des 7. Oktober bezog. So wollte man die Behauptung aufrecht erhalten, es handle sich um einen unpolitischen Wettbewerb – was allerdings seit Jahren nicht mehr der Fall ist.

Proteste in Malmö wurden als »israelfeindlich« und »antisemitisch« diffamiert. Die schwedische Polizei hatte Kollegen aus dem nahen Dänemark zu Hilfe angefordert, um mit brutaler Gewalt gegen Demonstranten vorzugehen. Kritische Bemerkungen und Ansätze von anderen Teilnehmern des ESC wurden unter den Tisch gekehrt. Im deutschen Staatsfernsehen ARD wurden sogar die deutlichen Mißfallensbekundungen des Publikums durch eingespielten stürmischen Beifall ersetzt. Alles nach dem Prinzip, daß nicht sein kann, was nicht sein darf.

Die im Westen verbreitete Propaganda der Unterstützung für Israel kannte auch beim offiziellen ESC keine Grenzen – übrigens auch nicht im Fall der Ukraine. Obwohl nur die Flaggen der Teilnehmerländer im Saal erlaubt waren, zeigte das schwedische Fernsehen begeisterte ukrainische Fans – mit der Fahne der Ukraine und mit dem schwarz-roten Banner der ukrainischen Faschisten.