Leitartikel21. August 2024

Von Arbeitslosenzahlen und sozialer Kälte

von Ali Ruckert

Wir haben in dieser Zeitung bereits mehrmals darauf hingewiesen, wie hierzulande das tatsächliche Ausmaß der Arbeitslosigkeit systematisch heruntergespielt wird.

Im Titel der am Mittwoch verbreiteten Mitteilung des Arbeitsamtes werden »17.901 demandeurs d’emploi« (»17.901 Arbeitsuchende«) zum 31. Juli 2024 festgehalten, und wer beim Lesen nicht über den Titel hinauskommt, was in diesen Zeiten leider eine weitverbreitete Krankheit ist, wird erst gar nicht auf die Idee kommen, dass er Opfer einer regelrechten Irreführung der Öffentlichkeit sein könnte, denn das Luxemburger Fernsehprogramm wird ihm am gleichen Abend keine andere Zahl nennen.

Wer allerdings das Kleingedruckte liest wird feststellen, dass es sich bei der Zahl 17.901 um Arbeitslose handelt, »die ihren Wohnsitz in Luxemburg haben und dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen«.

Tatsächlich ist die Zahl der Arbeitsuchenden deutlich höher, aber weder die Arbeitslosen im Krankenstand und die arbeitslosen Frauen im Mutterschaftsurlaub, noch die arbeitslosen Grenzgänger generell und die Grenzgänger, die als »Reclassé externe« geführt werden, schaffen es in die Titelzahl. Von den mehr als 4.000 arbeitsuchenden Männern und Frauen, die in zeitlich begrenzten »Beschäftigungsmaßnahmen« eingebunden sind, gar nicht zu reden.

Sollte der Eindruck täuschen, dass mehr Wert darauf gelegt wird, die Arbeitslosenzahlen mit Hilfe aller möglichen statistischen Kniffe zu schönen, statt aktiv daran zu arbeiten, die Zahl der Arbeitslosen zu senken, täuschen?

Nun liegt es uns fern, das Arbeitsamt für diesen Mißstand verantwortlich zu machen, denn nicht die Adem legt die offiziellen Kriterien fest, die bestimmen, wer arbeitslos ist und wer nicht, sondern die aufeinander folgenden Regierungen und die Chamber formulierten diese im Laufe der Jahre so um, dass die »offiziellen« Arbeitslosenzahlen inzwischen viel niedriger ausfallen.

Dahinter steckt System, denn weder das Kapital noch die Regierenden, die bemüht sind, den gesetzlichen Rahmen für die bestmögliche Verwertung der Arbeitskraft zu schaffen, haben ein Interesse daran, die Arbeitslosigkeit zu beseitigen und Vollbeschäftigung herzustellen.

Daher belassen sie es dabei, die Arbeitslosigkeit zu verwalten, so dass das Kapital sich bequem der vorhandenen arbeitslosen Reservearmee bedienen kann. Sollte das Potential der arbeitslosen Luxemburger und Portugiesen sowie der belgischen, französischen und deutschen Grenzgänger nicht ausreichen, um die Verwertungsbedingungen zu verbessern und die Profite zu steigern, kann man immer noch auf Expats aus Britannien Polen, der Ukraine und Indien zurückgreifen. Auf die Wohnbedingungen der Besserverdienenden und der politischen Elite hat das keinen Einfluss. Und Arbeitsplätze, die keine Qualifikation erfordern, kann man aus ihrer Sicht immer noch mit arabischen und afrikanischen Einwanderern besetzen, denn »déi maulen net«.

Das ist eine der Erklärungen dafür, dass weder die notwendigen Mittel zur Verfügung gestellt, noch die geeigneten Strukturen geschaffen werden, um allen luxemburgischen und portugiesischen Jugendlichen hierzulande die Bildung und Ausbildung zu gewährleisten, die ihnen Arbeit und Einkommen sichern würden.

Gerade im Beschäftigungsbereich zeigt sich, wie brutal der Kapitalismus ist und welche soziale Kälte sich inzwischen bei den Regierenden ausgebreitet hat.