Pariser Sonntagblatt bekommt scharfe Rechtswendung
»Le Journal du dimanche« bekommt neuen Chefredakteur, Journalisten protestieren und kündigen
Vincent Bolloré hat es wieder einmal geschafft. Die Pariser Sonntagszeitung »Le Journal du dimanche« (JDD) kontrolliert der streng katholische Milliardär aus der Bretagne seit Oktober 2021, einen neuen Chefredakteur, Geoffroy Lejeune, holte er sich im Juni dieses Jahres aus der finstersten politisch rechten Ecke des offenen Medienmarktes und setzte ihn gegen die nahezu einstimmige Ablehnung der hundert Köpfe zählenden Redaktion durch. Nach einem historischen, 40 Tage dauernden Streik der Belegschaft gegen die Ernennung Lejeunes brach der Widerstand Anfang August schließlich zusammen. Mehr als 60 Journalisten entschlossen sich, das Blatt zu verlassen.
Der Bretone habe einen neuen Sieg errungen, konstatierten unisono linke wie rechtsliberale Blätter, die Regierung des Staatschefs Emmanuel Macron blieb stumm. Mit seinem neoliberalen Wirtschafts- und Gesellschaftsprogramm habe der Präsident Raubkapitalisten wie Bolloré erst die Waffen für dessen »Kulturkampf« in die Hand gegeben, klagte die linke Opposition in der Nationalversammlung.
In Radio- und Fernsehstationen wie Europe 1 und C-News verkünden längst Bollorés journalistische Höflinge den rechten politischen Kurs, auf den der 71-Jährige das Land und seine Entscheidungsträger zwingen will. Der faschistische, von ihm lange fürstlich finanzierte Präsidentschaftskandidat Éric Zemmour etwa durfte sich bei C-News als sogenannter Chroniqueur austoben und seine Theorie vom »grand remplacement« – dem phantasierten Austausch der christlich-französischen in eine muslimische Kultur – ins Land hinausschreien.
Den neuen »JDD«-Chef Lejeune holte sich Bolloré aus dem rechten Blatt »Valeurs actuelles«, wo der sich dem Kandidaten Zemmour während des Wahlkampfs im vergangenen Frühjahr als medialer Multiplikateur seiner kruden Ideen zur Verfügung gestellt hatte. Wohin Lejeune »JDD« führen wird, scheint daher klar zu sein: In die äußerste rechte Schmuddelecke, wenn er das mit den offenbar aus rein wirtschaftlichen Gründen auf 40 Journalisten ausgedünnten Redaktion denn schaffen sollte.
Ausgehungert hat Bolloré nicht nur den Widerstand der »JDD«-Belegschaft. Schon bei der Übernahme von i-Télé und des wichtigen Radiosenders Europe 1 verloren er und seine Lautsprecher an den Mikrofonen beträchtliche Teile der jeweiligen Redaktionen. Bollorés Übernahme der Zeitung und die Bestellung des extrem rechten Lejeune zum Chefredakteur habe letztlich auch Bollorés Steigbügelhalter Arnaud Lagardère zu verantworten, über dessen Mediengruppe der Großaktionär überhaupt erst an Publikationen wie »JDD« oder auch den Großverlag Hachette herangekommen sei, erklärte der Abgeordnete Aymeric Caron in einem Artikel für »Libération«.
Eine ganze Hundertschaft von Journalisten sei in diesen Tagen »der Gewalt eines Bolloré und Lagardère ausgesetzt« gewesen – während aus dem Élysée-Palast nur lautes Schweigen zu hören gewesen sei. Der Politiker der La France insoumise erinnerte daran, daß Bollorés Chefredakteur selbst dem rechten Blatt »Valeurs actuelles« zu sehr auf »rechtsextreme Ideologie« getrimmt gewesen und daher entlassen worden sei. In einem Interview mit der Studentenzeitung »l’Issep« – einer Kreation der faschistischen Politikerin Marion Maréchal, der Nichte Marine Le Pens – habe Lejeune deutlich gemacht, wofür er steht: »Wir haben den erklärten Willen zu erobern. Wir wollen unsere Ideen in der öffentlichen Debatte vorantragen, die Leute für uns gewinnen und unsere Positionen verteidigen.«
Diese Eroberung der politischen Szene sei »exakt das, wofür Bolloré ihn geholt hat«, warnte Caron. Lejeune sei bei »JDD« freilich nicht allein in einer feindlich gestimmten Redaktion. Der 34 Jahre junge Chef sei vielmehr dabei, eine neue Redaktion aus ideologisch passenden Kollegen zusammenzustellen – behütet von der lenkenden Hand des väterlichen Gönners Bolloré.