Keine »Sozialpartner«
Als der Präsident Emmanuel Macron im April 2018 der betagten Literaturzeitschrift »La Nouvelle Revue Française« versicherte, daß das französische Volk sich bis heute »einen König wünscht«, wurde der junge Staatenlenker – gerade mal ein Jahr im Amt – in der bösen Welt der Politik als heilloser, eventuell falsch gepolter Romantiker belächelt. Nicht bedacht hatten die grinsenden Journalisten in den Feuilletons der bürgerlichen Tagespresse, daß Macron ihnen einen Hinweis gegeben hatte, einen Ausblick auf eine Zukunft, die inzwischen fünf Jahre alt ist.
König? Im 21. Jahrhundert übersetzt sich dieser barocke Begriff in »Autokrat«. Und Louis XVI., dem letzten Monarchen des »Ancien Régime«, schlugen die Revolutionäre von 1789 den Kopf ab, sie wollten keine Fürsten mehr.
Den »gütigen König«, den Macron 2018 vielleicht im Sinn hatte, gab es nie. Und jener, der diesen Titel nicht mehr tragen darf, sondern inzwischen »Präsident« genannt wird, muß – bisher jedenfalls – vom Volk gewählt werden. »Autokrat« will Macron nicht heißen – einer zu sein, scheint ihn nicht zu stören. Der Literaturzeitung gestand er damals auch, daß er sich mit jenen »jungen Wilden« identifiziere, die sein Herzenspoet Honoré de Balzac sich Mitte des 19. Jahrhunderts für das Meisterwerk »La Comédie humaine«, bewundert von Karl Marx und Friedrich Engels, ausgedacht hatte. Mit Eugène de Rastignac womöglich, dem skrupellosen Geldmenschen, der die Tochter seiner Geliebten heiratet und aus dem Bankgeschäft in die hohe Politik aufsteigt?
Gewerkschaften, die damals weder ein König noch ein Banker zu fürchten hatte, sind im Frankreich der Gegenwart wichtiger Teil einer selbstbewußten, im Widerstand erprobten Gesellschaft geblieben. Sie halten sich nicht, wie in Deutschland, für »Sozialpartner« des wölfisch den Arbeitsmarkt zerfleischenden Kapitals. Gegen den opportunistischen Rastignac, den Banker im monarchischen Palast Élysée, werden sie in den kommenden Monaten »die Straße« organisieren, wie Könige, Autokraten und auch Präsidenten protestierendes Volk gerne nennen. Alle zusammen, sogar jene, die dem Katholiken und Jesuitenschüler in quasi christlicher Verbundenheit bisher die Stange hielten – das große Syndikat CFDT und sein Anführer Laurent Berger zum Beispiel.
Nicht zu reden von der einstmals kommunistischen Arbeiterorganisation CGT, deren Chef Philippe Martinez noch einmal zum Kampf antritt – er will im kommenden Frühjahr in Rente gehen. Mit 62 Jahren übrigens, eigentlich würde er es dann soeben noch geschafft haben, Macrons »Rentenreform« zu entgehen. Doch die soll nun für alle Lohnabhängigen gelten, die nach dem ersten Semester 1961 geboren wurden. Stufenweise, bis 2025 und danach, würden die Malocher vor »König und Kapital« den Rücken beugen müssen. Sollten er, Berger und »die Straße« das Gesetz nicht verhindern können, dann wird Martinez, geboren im April 61, noch ein Jahr dranhängen müssen.