Das Imperium wankt
Unter Ausnutzung der dominanten Rolle des Dollars in der Weltwirtschaft hat Washington mittlerweile mehr als 5.500 verschiedene Sanktionsbestimmungen gegen Rußland erlassen. Doch während EU-Europa samt Anhang den Washingtoner Vorgaben nach anfänglichem Zögern vor allem Berlins letztlich doch gefolgt ist, weigern sich fast sämtliche Staaten Lateinamerikas und der Karibik, viele afrikanische und die meisten Staaten Asiens, sich an den Sanktionen gegen Rußland zu beteiligen.
Dies ist ein Zeichen dafür, daß die in Europa seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs bestehende Dominanz US-amerikanischer Großkonzerne, und damit auch die Vorherrschaft des USA-Imperialismus in der Welt insgesamt, ins Wanken geraten ist.
Sowohl der Dominanz der USA-Großkonzerne in Europa als auch der weltweiten Vorherrschaft ihrer imperialistischen (Kriegs-)Maschinerie wirkt die in den vergangenen Jahren gewachsene wirtschaftliche Verflechtung Europas mit Rußland und vor allem China sowie die wachsende Wirtschaftskooperation zwischen Ländern von Ost- über Zentralasien und Rußland bis nach Westeuropa entgegen.
Deshalb hat Washington in der Ukraine allein bis zum Beginn (!) des Maidan-Putsches im November 2013 fünf Milliarden US-Dollar in die Destabilisierung des an Rußland grenzenden Landes gesteckt – so jedenfalls die damalige und unter Präsident Biden erneut amtierende Außenstaatssekretärin Victoria »Fuck the EU« Nuland im USA-Senat. Aus dieser selbst für den selbsternannten Weltpolizisten üppigen »Investition« in einen »Regime Change« leitete Nuland ab, die USA – und nicht etwa EU-Europa – hätten zu bestimmen, wer in Kiew Putschpremier werden dürfe.
Nachdem sich EU-Europa den »nie dagewesenen Sanktionen« der USA gegen Rußland angeschlossen hat, ist vom Sanktionierten nach dem im Herbst 2011 von USA-Präsident Obama verkündeten vornehmlich militärischen »Pivot to Asia« ebenfalls ein »Schwenk nach Asien« – diesmal aber ein in erster Linie wirtschaftlicher – zu erwarten.
Rußlands Austritt aus dem Europarat (nach gut einem Vierteljahrhundert Mitgliedschaft) dürfte zum Symbol für seine Abwendung von EU-Europa und seine Hinwendung nach Asien, besonders China, werden. Gleichzeitig dürfte Moskau seine Beziehungen zu den zentralasiatischen Ländern, die einst zur Sowjetunion gehörten, umfassend verstärken und versuchen, sie fester in einen eurasischen Verbund einzubinden. Ökonomisch im Rahmen der Eurasischen Wirtschaftsunion und im Verbund mit Chinas Neuer Seidenstraße, militärisch im Rahmen der Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit.
Auch die demnächst um den Iran erweiterte Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit – die schon heute 40 Prozent der Weltbevölkerung vertritt und damit die größte von der UNO anerkannte Regionalorganisation von Staaten darstellt – wird weiter an Bedeutung gewinnen.
Offenbar wurden die Warnungen Zbigniew Brzezinskis in den Wind geschlagen. Eine der prägendsten Personen US-amerikanischer Außenpolitik seit den 70er Jahren hatte 1997 in seinem Buch »Die einzige Weltmacht: Amerikas Strategie der Vorherrschaft« geurteilt, aus geostrategischer Sicht gebe es für den USA-Imperialismus vor allem eine große Gefahr – diejenige, daß es gelingen könne, Europa und Asien zu einem Block zu verbinden:
»Zusammengenommen übertrifft Eurasiens Macht diejenige Amerikas bei weitem.« Eurasien, so Brzezinski, sei »das Schachbrett, auf dem sich auch in Zukunft der Kampf um die globale Vorherrschaft abspielen wird.«