Leben ohne Sicherheit
Konflikte in palästinensischem Lager im Libanon, Versöhnungsgespräche Hamas-Fatah in Ägypten
Mehr als 5 Millionen Libanesen und mindestens 1,5 Millionen palästinensische und syrische Flüchtlinge im Zedernstaat sind mit anhaltenden Wirtschafts- und Regierungskrisen, mit Energiemangel, Inflation und ausländischer Einmischung konfrontiert.
Rund 500.000 palästinensische Flüchtlinge leben im Libanon seit ihrer Vertreibung aus Palästina 1948, 1967 und in den folgenden Jahren in Lagern in prekären Verhältnissen. Hinzu kommen mehr als 1 Millionen syrische Flüchtlinge, die in Barackenlagern aus Holz und Plastikplanen vorwiegend in der Bekaa-Ebene leben, wo sie schlecht bezahlte Arbeit in der Landwirtschaft finden.
Mangelnde Perspektiven, Hunger und Armut führen zu Konflikten zwischen den Menschen, die rücksichtslosen geopolitischen Kämpfen von Groß- und Regionalmächten im östlichen Mittelmeerraum ausgesetzt sind.
Am vergangenen Wochenende eskalierten politische Auseinandersetzungen zwischen palästinensischen Fraktionen im Flüchtlingslager Ain al-Hilwah, südlich von Beirut bei Sidon. Dabei wurden am Sonntag mindestens sieben Personen getötet, darunter der Sicherheitschef der Fatah und vier seiner Begleiter. Mindestens 35 Personen wurden verletzt. Auch Soldaten der libanesischen Armee kamen unter Feuer, ein Beobachtungsposten der Armee wurde bei den Schießereien getroffen.
Nach Angaben des UNRWA, wurde bei den Kämpfen in Ain al-Hilweh auch einer der Mitarbeiter des Sicherheitschefs der Fatah getötet. Zwei UNRWA-Schulen in dem Lager seien beschädigt worden. Die Hilfsorganisation spricht von insgesamt 11 Toten und 40 Verletzten und hat ihre Tätigkeit in dem Lager vorübergehend ausgesetzt. 2.000 Menschen seien aus dem Lager geflohen.
Trotz eines ausgehandelten Waffenstillstandes unter Vermittlung der libanesischen Amal-Bewegung und des Gemeinsamen Palästinensischen Aktionskomitees gingen die Schießereien auch in der Nacht zu Montag weiter. Eine nahegelegene Straße wurde aus Sicherheitsgründen gesperrt. Öffentliche Einrichtungen in Sidon und ein Krankenhaus in Nähe des Lagers blieben am Montag geschlossen. Chronisch kranke und Dialyse-Patienten wurden nach Angaben der Klinikleitung in andere Krankenhäuser evakuiert. Viele Menschen verließen das Lager, um sich in Sicherheit zu bringen.
Die Ursachen der militärischen Eskalation am Wochenende sollen nach Gesprächen zwischen der libanesischen Amal, dem Parlamentsabgeordneten von Sidon, Osama Saad und den beteiligten palästinensischen Akteuren von einer palästinensischen Untersuchungskommission aufgeklärt werden. Die Verantwortlichen sollen den libanesischen Sicherheitskräften überstellt werden, sagte Osama Saad nach dem Treffen gegenüber Journalisten. Alle Parteien hätten zugestimmt, die Sicherheit im Lager zu wahren.
Die libanesische Armee kontrolliert lediglich die Zugänge zu den palästinensischen Lagern im Libanon, für die interne Sicherheit sind Komitees der verschiedenen palästinensischen Fraktionen zuständig. Laut offiziellen Angaben sind allein im Ain al-Hilwah Lager 54.000 Menschen bei der UNO-Hilfsorganisation für palästinensische Flüchtlinge (UNWRA) registriert.
Um innerpalästinensische Konflikte ging es am Wochenende auch in der nordägyptischen Küstenstadt El Alamein. Dort trafen sich auf Einladung der Arabischen Liga die beiden palästinensischen Regierungen der Fatah aus den palästinensischen Gebieten im israelisch besetzten Westjordanland und Hamas aus dem Gazastreifen unter israelischer Blockade. Erstmals seit Jahren kamen dabei die Vorsitzenden von Fatah und Hamas, Mahmud Abbas und Ismail Haniyeh zusammen. An dem Treffen nahmen alle in der PLO vertretenen palästinensischen Fraktionen teil. Der Islamische Jihad wurde später in Kairo erwartet.
Der Konflikt zwischen Fatah und Hamas besteht seit den Parlamentswahlen 2006, die die Hamas damals deutlich für sich entschied. Im Gazastreifen wurde die Hamas führende Kraft. Weil sich die Fatah in politischen und militärischen Positionen im Gazastreifen zurückgedrängt sah, eskalierten die militärischen Konflikte. Die Hamas spricht von einem Putschversuch der Fatah, der 2007 zurückgeschlagen wurde. Präsident Mahmut Abbas löste daraufhin eine damals bestehende Regierung der Nationalen Einheit auf, das Westjordanland und der Gazastreifen wurden zwei getrennte palästinensische Einheiten. Die USA und die EU reagierten 2007 mit Sanktionen gegen die Hamas und erklärten die Hamas zur »Terrororganisation«. Israel riegelte den Gazastreifen ab.
Bei dem eintägigen Treffen der beiden konkurrierenden palästinensischen Führer ging es um eine Versöhnungsinitiative, die von der PLO mit Unterstützung der Arabischen Liga und verschiedenen arabischen Staaten vorbereitet worden war. Haniye forderte Abbas angesichts der massiven Angriffe der israelischen Armee auf palästinensische Orte im besetzten Westjordanland auf, die »Sicherheitszusammenarbeit« mit Israel zu stoppen. Abbas begrüßte den Beginn eines Dialogs und kündigte die Bildung eines Dialogkomitees zwischen beiden Seiten an. Ziel sei die »Spaltung zu überwinden und die nationale palästinensische Einheit zu erreichen«.