Leitartikel17. Mai 2024

Null Bock auf EU-Wahlen?

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Das neueste Eurobarometer der EU-Kommission beschäftigte sich mit dem Wahlinteresse der jungen Menschen im Alter zwischen 15 und 30 Jahren. Die Umfrage nennt sich dick auftragend »Jugend und Demokratie«. Insgesamt wurden vom 4. bis zum 12. April 2024 26.189 Personen befragt, darunter 502 in Luxemburg.

Das Bild, welches sich daraus ergibt, zeigt ein bescheidenes Ergebnis: All die bunten Plakate und verteilten Gadgets können die Jugend offenbar nicht locken, denn der Wille, bei den EU-Wahlen im Juni zur Urne zu treten, ist hierzulande mit 41 Prozent im genannten wahlberechtigten Altersbereich dürftig. EU-Durchschnitt bei den Alterskollegen ist 64 Prozent, was ebenfalls kein besonders toller Wert ist. Ein Viertel der Befragten in Luxemburg erklärte der Erhebung zufolge, nicht wählen zu wollen, obwohl wahlberechtigt oder –verpflichtet.

Bei den Erwartungen der Jugend an die EU, rangierten sämtliche gefragte Themen um oder unter 30 Prozent Interesse. So etwa Menschenrechte, Demokratie oder Armutsbekämpfung sowie Friedenssicherung. Es scheint also, daß bei diesen Themen der Union nicht zugetraut wird, Probleme zu lösen, was angesichts der tatsächlichen EU-Politik nicht verwunderlich sein sollte.

Nur 13 Prozent der luxemburgischen jungen Menschen erklärten demnach, daß EU-Politik einen direkten Einfluß auf ihr alltägliches Leben hätte. Dies schlägt sich auch auf die Antwort zur Frage nieder, wie junge Menschen ihrer Stimme mehr Gehör in Brüssel verschaffen könnten: Hier erklärten lediglich 19 Prozent in Luxemburg, dies wäre durch Teilnahme an Wahlen möglich. Der EU-Durchschnitt sieht mit 38 Prozent auch nicht wesentlich rosiger aus. Demgegenüber erklärten 42 Prozent, es sei besser, seinem Unmut auf Social Media Luft zu machen, während eine Mitarbeit in politischen Parteien wiederum nur 20 Prozent der Befragten in den Sinn kommt.

Daß die Wahlen zum EU-Parlament auch beim von außen oft gerühmten Musterschüler Luxemburg einen großen Teil der Bevölkerung kalt läßt, dürfte direkt mit den Erfahrungen der Menschen zu tun haben. Für viele ist Brüssel noch immer der Elfenbeinturm, aus dem über die Länderparlamente hinweg Entscheidungen getroffen werden, und obwohl jedes Land seine Parlamentarier entsendet, bleibt der luxemburgische Einfluß mit seinen sechs Abgeordneten in den verschiedenen Fraktionen recht gering. Dazu kommt, daß die Glaubwürdigkeit dieser Wahlen nicht nur durch die mangelnde Sozial- und Praxispolitik der Union angefressen wird, sondern auch durch Kandidaten, die bereits kurz nach ihrer Wahl verkünden, nicht nach Brüssel gehen zu wollen. Dann rücken andere auf der Liste nach, die eigentlich überhaupt nicht gewählt wurden. Dies läßt den Wähler mit dem Gefühl zurück, daß eine Stimmabgabe ohnehin keinen Einfluß habe.

Diese Frustration entlädt sich immer häufiger in der Wahl von rechten Parteien und anderen politischen Rattenfängern, die vieles versprechen und am Ende auch nur sich selbst die Taschen füllen und den Sozialstaat einstampfen.

Regelmäßig kurz vor Parlaments- und insbesondere EU-Wahlen geht den großen Parteien, ob schwarz oder rot, dann die Muffe. Aufrufe zur »Wahl für die Demokratie« mehren sich aus den »Volksparteien« in den Wochen vor dem Urnengang. Ein verzweifelter Versuch, die Wähler doch noch zu eigenen Gunsten stimmen zu lassen, in der Hoffnung, dieser übersehe, daß sich die Parteien in der abgelaufenen Legislaturperiode keinen Meter für seine Interessen bewegt haben. So wird es freilich auch nach dem Urnengang weitergehen.

Das Desinteresse an einer EU, die sich ganz offen nur für die Interessen der Wirtschaft stark macht und eine vernünftige Sozialpolitik Zeit ihres Bestehens nie vorhatte, zu verfolgen, ist hausgemacht. Das Erstarken rechter Parteien ist, wie in vielen nationalen Parlamenten, auch dem Desinteresse der staats- oder unionstragenden Parteien an den Problemen der Bürger geschuldet. Sie haben diesen Weg mit geebnet.