Leitartikel20. Juli 2024

Demokratische Schule, was ist das?

von Alain Herman

Seit längerer Zeit rumort es hinter den Gemäuern des Lycée Josy Barthel in Mamer, dieser architektonisch gewagten Konstruktion auf offenem Feld aus den 2000er Jahren, im Inneren einem MC-Escher-artigen Treppenhaus nicht unähnlich. Auf dem Weg ins kafkaeske Nirgendwo scheint mittlerweile auch die Direktion dieser Schule zu sein, zumindest was den Umgang mit dem Lehrpersonal anbelangt.

Von Mobbing, Spannungen, Kommunikationsproblemen, vergifteter Atmosphäre und Einschüchterung ist die Rede. Die Gewerkschaft SEW/OGBL hat sich des Dossiers bereits vor Monaten angenommen und sich schützend vor die Lehrerschaft gestellt, musste hierbei allerdings feststellen, dass Schulleitung und Bildungsministerium (MENJE) ungern im Sinne des Wohlbefindens der Lehrer entscheidende Schritte vornehmen – das bewilligte Coaching-System hat laut einer von der Gewerkschaft durchgeführten Umfrage nicht die erhofften Ergebnisse erbracht, fast 90 Prozent der Lehrer sprechen weiterhin von einer angespannten bis toxischen Situation, zahlreiche Lehrer möchten die Schule wechseln.

Es handelt sich nicht um einen Einzelfall, wie das SEW ermittelt hat, auch aus anderen Lyzeen sind Fälle kommunikationsresistenter Schulleitungen bekannt. Das MENJE tut wie immer, es beschwichtigt.

Ein demokratisches Miteinander in Schulen, wie es von Claude Meisch und bürgerlichen Bildungspolitikern in Sonntagsreden floskelhaft ausgestaltet wird – nicht selten wird der Gummibegriff »demokratische Werte« in diesem Kontext verwendet –, sieht anders aus.

Verwundern mag diese Entwicklung hin zu straff hierarchisch geführten Lyzeen, die sich im Konkurrenzkampf befinden und welche mit fast schon kommerziell anmutendem Marketing sowie mit stets neuen, manchmal realitätsfernen Ausbildungswegen um die Schülerschaft buhlen, an sich nicht. Sie ist das logische Resultat einer neoliberalen, den universalen Charakter der öffentlichen Schule auflösenden Reformpolitik. Die entsprechenden Weichen hat der DP-Minister vor über einer Dekade gestellt.

Fehlende Konsequenz oder mangelhaftes politisches Kalkül kann man dem redegewandten Minister dabei nicht unterstellen. Im Gegenteil, in seiner langen Amtszeit hat er die alte Divide-et-impera-Taktik mehr als einmal ausgespielt, gerade auch in den Verhandlungen mit den Lehrergewerkschaften, von denen es schlichtweg zu viele gibt – übergreifende Solidarität lässt sich so nur schwerlich herstellen. Oder durch die Abschaffung der meistens gut funktionierenden, da oftmals kämpferisch auftretenden »Proffecomités«.

Die seit 2016 existierenden »comités de la conférence« scheinen als Personaldelegationen nicht mehr über dasselbe Durchsetzungsvermögen zu verfügen. Dort, wo sie indes ihre Rechte zur Geltung bringen und in intensivem Austausch mit den Direktionen stehen, treten Problemsituationen wie diejenigen in Mamer erst gar nicht auf, kann im Sinne der ganzen Schulgemeinschaft gehandelt werden.

Die Gewerkschaften täten gut daran, ihre Mitglieder zu motivieren, diesen kleinsten Zellen potenzieller syndikalistischer Aktivität beizutreten, um die demokratische Auseinandersetzung in den Sekundarschulen zu stärken.