Ausland19. September 2024

Auslands-Nachrichten

dpa/ZLV

Libanon bereitet sich auf Ernstfall vor

Nach dem offenbar von Israel koordinierten Angriff im Libanon mit mehr als 2.800 Verletzten und mindestens zwölf Todesopfern bereitet sich die Regierung in Beirut auf »mögliche Szenarien« eines israelischen Großangriffs vor. Der Leiter des Notfallausschusses der Regierung sagte, das Bildungsministerium habe eine Liste mit rund 100 Schulen vorgelegt, die als Notunterkünfte dienen könnten. Sie würden mit dem Nötigsten ausgestattet. Nahrungsmittelreserven reichten für mehr als drei Monate. Zudem sei man unter anderem mit dem Welternährungsprogramm der UNO in Kontakt, um die Bereitstellung von 50.000 Nahrungsmittelpaketen für vertriebene Familien sicherzustellen.

Bei dem koordinierten Angriff explodierten in Beirut und anderen Orten am Dienstag Pager, die Menschen auf der Straße, im Supermarkt, im Auto oder zu Hause bei sich trugen. Rund 300 Menschen schwebten am Mittwoch noch in Lebensgefahr, sagte der geschäftsführende Gesundheitsminister Firas Abiad (Foto). Unter den Todesopfern seien ein acht Jahre altes Mädchen und ein elf Jahre alter Junge. Nahezu 500 Menschen seien an Augen oder Gesicht operiert worden. Teils hätten Ärzte bei Patienten auch Arme oder Finger entfernen müssen.

Bei erneuten Explosionen zahlreicher drahtloser Geräte, wie Walkie-Talkies, sind im Libanon nach ersten Meldungen am Mittwoch mindestens 300 Menschen verletzt worden. Laut dem libanesischen Gesundheitsministerium wurden mindestens neun Menschen getötet.

Wahlen in Kaschmir

Zum ersten Mal seit zehn Jahren finden im indisch kontrollierten Teil der Himalaja-Region Kaschmir wieder Regionalwahlen statt. Zugleich ist es das erste Mal seit dem Entzug des halbautonomen Status für den einstigen Unionsstaat Jammu und Kaschmir vor fünf Jahren, daß die Menschen dort mit ihrer Stimme über die Besetzung eines regionalen Parlaments entscheiden können. Die erste von drei geplanten Wahlphasen begann unter starken Sicherheitsvorkehrungen weitgehend friedlich, berichtete das Nachrichtenportal »India Today«. Indische Sender berichteten von langen Warteschlangen vor den Wahlkabinen.

UNO fordert Rückzug Israels

Mit einer deutlichen Mehrheit von 124 Stimmen – darunter Luxemburg, Frankreich, Portugal, Belgien, Spanien und Norwegen – fordert die UNO-Generalversammlung den Rückzug Israels aus besetzten Palästinensergebieten innerhalb eines Jahres. 43 Staaten – darunter Britannien, Deutschland, Österreich, Bulgarien, Kanada, Indien, Italien, die Niederlande, Polen, Schweden, die Schweiz und die Ukraine – enthielten sich bei der Abstimmung im Plenum mit 193 Mitgliedstaaten.

Israel, die USA, Argentinien, Tschechien, Ungarn und neun kleinere Staaten stimmten dagegen. Einige Staaten nahmen nicht an der Abstimmung teil. Die Resolution soll ein Rechtsgutachten des IGH durchsetzen. Der Internationale Gerichtshof in Den Haag hatte im Juli festgestellt, daß die Besatzung der palästinensischen Gebiete illegal sei und so schnell wie möglich beendet werden müsse. Die Resolution fordert, daß »Israel seine unrechtmäßige Anwesenheit im besetzten palästinensischen Gebiet« innerhalb von zwölf Monaten beenden müsse.

Erneuter Angriff auf Schule in Gaza

Palästinenser wollen UNO-Resolution zu Rückzug Israels

New York/Gaza – Bei einem israelischen Luftangriff auf ein ehemaliges Schulgebäude in der Stadt Gaza sind nach Angaben des palästinensischen Zivilschutzes mindestens acht Menschen getötet und weitere verletzt worden. Unter den Toten seien auch Kinder.

Bei einem weiteren israelischen Luftangriff auf ein Fahrzeug im Süden des Gazastreifens wurden nach Krankenhausangaben mindestens zwei Palästinenser getötet. Zwölf weitere Menschen seien bei dem Angriff in Rafah verletzt worden, berichtete ein Arzt im benachbarten Chan Junis.

Die Palästinenser haben an die Vollversammlung der UNO appelliert, für eine Resolution zum Rückzug Israels aus besetzten Gebieten zu stimmen. »Bitte stehen Sie auf der richtigen Seite der Geschichte, mit internationalem Recht, mit Freiheit, mit Frieden. Die Alternative ist das, was Sie jeden Tag auf Ihren Fernsehbildschirmen sehen und was das palästinensische Volk in seinem Fleisch ertragen muß«, sagte der palästinensische Vertreter bei der UNO, Riad Mansur.

Mit der Resolution wollen die Palästinenser in der UNO den Druck auf Israel zum Rückzug aus besetzten Gebieten erhöhen. Eine Reihe von Staaten hatte die am Dienstag begonnene Sitzung des Gremiums beantragt. Die Beschlußvorlage soll die Umsetzung eines Rechtsgutachtens des obersten UNO-Gerichts zum Nahost-Konflikt durchsetzen.

Der israelische Botschafter Danny Danon kritisierte die Initiative und bezeichnete sie als »palästinensischen UNO-Zirkus – einen Zirkus, in dem das Böse gerecht ist, Krieg Frieden, Mord gerechtfertigt ist und Terror beklatscht wird«.

In der Resolution heißt es, daß »Israel seine unrechtmäßige Anwesenheit im besetzten palästinensischen Gebiet« innerhalb von zwölf Monaten beenden müsse.

Beispielloser Schlag gegen Hisbollah

Vorstufe zum größeren Krieg Israel gegen den Libanon?

Beirut – Die Hisbollah im Libanon hat durch eine offenbar israelische Attacke mit mindestens 2.800 Verletzten und mindestens 12 Todesopfern den wohl schwersten Schlag seit Jahrzehnten erlitten. Bei der gleichzeitigen Explosion Hunderter tragbarer und von der Miliz genutzter Funkempfänger, sogenannter Pager, wurden in Beirut und anderen Teilen des Libanons sehr viele Hisbollah-Mitglieder verletzt.

In den Reihen der Hisbollah, die aus Sicherheitsgründen schon vor längerer Zeit von Handys auf Pager umgestiegen ist, herrschte am Tag nach dem Angriff noch viel Unklarheit über den Hergang. Aus libanesischen Sicherheitskreisen hieß es, etwa 3.500 Pager seien in verschiedenen Landesteilen gleichzeitig explodiert. Etwa 1.800 Menschen wurden im Raum Beirut verletzt und Hunderte weitere in Orten im Süden und Osten des Landes. Auch in Syrien gab es Verletzte durch explodierte Pager.

Medien in den USA berichteten unter Berufung auf Regierungsvertreter, daß israelische Agenten die Geräte vor der Ankunft im Libanon abfingen und vermutlich mit jeweils etwa 25 bis 50 Gramm Sprengstoff präparierten. Nach Informationen des US-amerikanischen Nachrichtenportals »Axios« legten die Explosionen auch einen wesentlichen Teil des militärischen Kommando- und Kontrollsystems der Hisbollah lahm.

Die in Taiwan ansässige Firma Gold Apollo, die als Hersteller genannt wurde, wies eine Verbindung von sich. Vielmehr habe eine in Ungarn ansässige Firma die Geräte entworfen und gefertigt, erklärte Gold Apollo.

Im Libanon bemühten sich Ärzte und Helfer, die Verletzten rasch zu versorgen. Im Süden von Beirut bauten sie Zelte auf, um Blutspenden zu sammeln, zu denen das Gesundheitsministerium aufrief. Der Irak und Jordanien schickten Flugzeuge mit Arzneimitteln und anderen Gütern. Auch der Iran schickte Hilfsteams mit Ärzten und Krankenschwestern. Irans Botschafter im Libanon, Modschtaba Amani, wurde bei der Explosion eines Pagers ebenfalls verletzt.

Die Straßen in Beirut waren am Tag nach den Explosionen weitgehend leer. In Gedenken an die Opfer und aus Protest gegen die Attacke blieben Schulen und Universitäten geschlossen. Auch einige Behörden und Regierungseinrichtungen blieben geschlossen.

Erneut stand die Frage eines nun noch größeren militärischen Angriffs von Israels Armee gegen den Libanon im Raum. Die Pager explodierten nur Stunden nach einer Sitzung des israelischen Sicherheitskabinetts. In Erwartung einer möglichen Reaktion der Hisbollah wurden Luftabwehr, Luftwaffe und Militärgeheimdienst in Israel in erhöhte Einsatzbereitschaft versetzt. Eine Elite-Division solle außerdem vom Gazastreifen an die Grenze zum Libanon verlegt werden.

Appell an die Frauen der Welt

Dr. Marie Nassif-Debs, Mitglied der Leitung der Libanesischen Kommunistischen Partei, Schriftstellerin und Journalistin, veröffentlichte noch am Abend des massiven Anschlags einen Appell an die Frauen der Welt. Darin heißt es: »Wir, die libanesischen Bürger, rufen die Frauen der Welt, insbesondere die Mütter, sowie die Völker der Welt auf, schnell zu handeln, um den Verbrechen Israels ein Ende zu setzen, das versucht, die Region und die Welt in einen totalen Krieg mit all dem Tod und der Zerstörung zu ziehen, die er der menschlichen Gesellschaft bringen kann. Lassen Sie uns handeln, bevor es zu spät ist!«

Rußland kritisiert Stoltenberg

Moskau – Die russische Regierung hat die Position von NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg zu Raketenschlägen tief im Inneren Rußlands scharf kritisiert. »Dieser zur Schau gestellte Wille, die Äußerungen des russischen Präsidenten nicht ernst zu nehmen, ist ein kurzsichtiger und unprofessioneller Schritt«, sagte Regierungssprecher Dmitri Peskow. Solch eine Haltung sei »zutiefst provokant und gefährlich«.

Stoltenbergs Äußerungen seien auch auf dessen baldigen Abschied als Generalsekretär zurückzuführen, sagte Peskow. Schließlich trage der Norweger ab dem 1. Oktober keine weitere Verantwortung mehr für die Folgen einer solchen Auseinandersetzung.

Stoltenberg hatte der britischen Tageszeitung »The Times« gesagt, daß der Einsatz von Raketen mit längerer Reichweite die NATO nicht in den Konflikt mit Rußland hineinziehen würde. »Es ist falsch zu sagen, daß die NATO-Verbündeten in den Konflikt hineingezogen würden, wenn sie den Einsatz der Waffen gegen legitime Ziele auf russischem Gebiet zulassen«, hatte Stoltenberg behauptet. Er betonte, daß es schon viele rote Linien gegeben habe, die der russische Präsident Wladimir Putin gezogen habe und nicht eskalieren ließ. »Er hat das nicht getan, weil er weiß, daß die NATO das stärkste Militärbündnis der Welt ist«, sagte Stoltenberg.

Putin hatte in der vergangenen Woche in der Debatte um die Freigabe weitreichender Waffen an die Ukraine erklärt, daß der Einsatz weitreichender westlicher Präzisionswaffen gegen Ziele tief auf russischem Territorium als Kriegsbeteiligung der NATO zu werten sei. »Das wird bedeuten, daß die Länder der NATO, die USA, die europäischen Länder mit Rußland kämpfen«, sagte er auf die Frage eines Journalisten. Putin hatte diese Feststellung vor allem damit begründet, daß der Einsatz weitreichender Waffen nicht durch die ukrainische Armee vollzogen werden kann, sondern nur durch eine unmittelbare Teilnahme westlicher Militärs und auf der Grundlage einer Satellitenaufklärung von Einrichtungen der NATO oder von NATO-Mitgliedstaaten.

Infineon forscht für das Militär

München – Der Münchner Chipkonzern Infineon will einen mobilen Quantencomputer für Militär-, Polizei- und Kriseneinsätze bauen. Wie die Cyberagentur der Bundesministerien des Inneren und der Verteidigung mitteilten, hat sie Infineon mit dem englischen Partner Oxford Ionics neben zwei weiteren Konsortien ausgewählt, innerhalb von drei Jahren einen solchen superschnellen Rechner zu bauen.

Wissenschaftler, Start-ups und Konzerne wie IBM, Google und der chinesische Internetriese Alibaba arbeiten an solchen Computern, die riesengroß, mit Beton und Blei vor Strahlung abgeschirmt und gekühlt in Rechenzentren stehen. Die von der Cyberagentur finanzierten Forschungsteams sollen einen Quantencomputer so robust, kompakt, leicht und energieeffizient bauen, daß er per Lastwagen oder Schiff transportiert und dann am gewünschten Ort eingesetzt werden kann. Für das Projekt stellt die Agentur 35 Millionen Euro zur Verfügung.

Niederlande beantragen Ausstieg aus »EU-Asylregeln«

Den Haag – Die Niederlande haben bei der EU-Kommission den Ausstieg aus den »EU-Asylregeln« beantragt. Das teilte die radikal-rechte Asylministerin Marjolein Faber auf X mit. »Wir müssen wieder über unsere eigene Asylpolitik das Sagen haben.«

Daß die Niederlande Erfolg haben, ist unwahrscheinlich. Für eine solche Ausnahmeregel – den sogenannten Opt-Out – müssen in der Regel alle 27 EU-Staaten zustimmen. Außerdem haben sich die EU-Länder bereits auf eine »Asylreform« geeinigt und müssen diese nun umsetzen.

Eine Sprecherin der EU-Kommission bestätigte den Eingang des Antrags auf EU-Ebene. Die Kommission nehme das Schreiben zur Kenntnis. Ein Opt-Out sei jedoch nur durch Änderungen der Verträge möglich. Somit seien die Vorschriften für die Niederlande weiterhin verbindlich.

Die Regierung will laut Ministerin Faber erreichen, daß die Einreise von Asylsuchenden und irregulären Migranten »drastisch reduziert« wird. Die Koalition will auch den Notstand ausrufen, um ohne Zustimmung des Parlaments Teile des Asylgesetzes außer Kraft zu setzen. Juristen bezweifeln die Rechtmäßigkeit der Maßnahme. Die Asylfrage spaltet auch die Koalition. Die »gemäßigte« Koalitionspartei NSC kündigte bereits an, die Zustimmung zu dem Notstandsgesetz zurückzuziehen, falls es dafür keine rechtliche Grundlage gebe.


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