Stahlwerker in Italien streiken für Sicherung ihrer Arbeitsplätze
CGIL-Generalsekretär Landini fordert »konkrete Lösungen« zur Existenzsicherung des Werkes
Gegen die anhaltende Verschleppung der Lösung der Existenz der Ilva-Stahlwerke in Taranto durch den Stahlkonzern ArcelorMittal und die italienische Regierung sind die Beschäftigten am Freitag in einen 24-stündigen Streik getreten, zu dem die Metallarbeiter der Gewerkschaften Fim, Fiom und Uilm aufgerufen hatten, berichtete die online Plattform Collettiva der Gewerkschaft CGIL. Die Arbeitskämpfe, die weiter anhalten, haben das seit Jahren anhaltende Gerangel zwischen der italienischen Regierung und ArcelorMittal, bei dem es um mehr als 15.000 Arbeitsplätze geht, in den Blickpunkt der Öffentlichkeit gerückt.
Die Arbeiter begannen den Ausstand, nachdem am Vortag ein Treffen der Meloni-Regierung mit Vertretern der Gewerkschaften ergebnislos verlaufen war. Es verdeutlichte einmal mehr, daß »die Regierung nicht über Absichtserklärungen hinausgeht und keine Antworten auf den Streit gegeben hat«, erklärte CGIL-Generalsekretär Maurizio Landini, der sich »sehr zufrieden mit dem Erfolg es Streiks« zeigte. »Angesichts der dramatischen Situation, die wir schon seit langem anprangern, fordern wir konkrete Lösungen für alle beteiligten Mitarbeiter«, betonte Landini.
Das 1965 als Staatsbetrieb gegründete Unternehmen galt mit 20.000 Beschäftigten und 150 Zulieferbetrieben als zweitgrößter Stahlproduzent Europas und wollte bis 2023 eine Fertigproduktion von 9,5 Millionen Tonnen erreichen. Der nahe Taranto liegende größte Tiefseehafen Europas ermöglicht leichten Zugang zu Rohstoffen. Die Ilva-Werke waren aber auch einer der größten Umweltverschmutzer Italiens. Aus den Schornsteinen des 15 Quadratkilometer großen Werkes entwichen Dioxine, Schwefeldioxid und andere tödliche Giftstoffe, die Bewohner der Region litten überdurchschnittlich häufig an Herz-Kreislauf- und Atemwegserkrankungen, an bösartigen Tumoren und Leukämie, Tausende Arbeiter und Einwohner in der Umgebung erkrankten an Krebs, 400 starben daran.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte urteilte 2019 und erneut 2020, der italienische Staat habe das Leben und die Gesundheit der Beschäftigten nicht hinreichend geschützt.
2017 wollte der in Luxemburg ansässige Stahlkonzern ArcelorMittal, der in über 60 Werken in etwa zwei Dutzend Staaten mit rund 320.000 Mitarbeitern jährlich 110 Mio. Tonnen Stahl produzierte und mit einen Umsatz von 105 Mrd. Euro der weltweit zweitgrößte Stahlproduzent ist, die Ilva-Werke übernehmen. 2019 nahm ArcelorMittal die zugesagte Übernahme jedoch wieder zurück, weil die damalige Regierung unter Premierminister Conte in einem Klima-Dekret schärfere Umweltschutz-Bedingungen für die Sanierung des verseuchten Stahlwerkes festlegt hatte. ArcelorMittal legte eine Produktionsreihe nach der anderen still, auch drei Hochöfen – Herzstück eines jeden Stahlwerks – wurden schrittweise heruntergefahren. 15.000 Arbeitern des Stahlriesen, dem mit Abstand größten privaten Unternehmen in Süditalien, drohte die Entlassung.
Nachdem Italien zusagte, bei einem Verkauf weiter 60 bis 70 Prozent seines Flachstahlbedarfs von Ilva zu beziehen und »bedeutende Investitionen« versprach, schlossen beide Seiten 2020 ein neues Abkommen, in dem der ArcelorMittal bis Mai 2022 die endgültige Übernahme zusagte. Nachdem 2021 mehrere Ilva-Manager wegen der Folgen der Verseuchung zu langjährigen Haftstrafen verurteilt worden waren, forderte ArcelorMittal Garantien, daß eigenes Personal davon verschont wird. Seitdem steht die Realisierung des Abkommens weiter aus, wofür beide Seiten sich die Verantwortung zuschieben.
Das Unternehmen brauche 5 Milliarden Euro, um alles Notwendige zu tun, erklärte Fim-Vorsitzender Roberto Benaglia, der warnte, »ohne die Stahlindustrie sind im Land nicht nur 20.000 Arbeitsplätze gefährdet, sondern es wird auch ärmer und rückständiger«. Das Wirtschaftsblatt »Il Fatto Quotidiano« vermerkt, um den Zusammenbruch des Stahlwerks zu verhindern, müsse der finanzielle Aufwand vom Staat getragen werden.