Libanon:
Warten auf den Krieg
Der libanesische Interims-Ministerpräsident Najib Mikati, hat die Kriegsparteien in Gaza zu einem fünftägigen Waffenstillstand aufgefordert. In dieser Zeit müsse Hilfe die Menschen erreichen und es sollten Verhandlungen über einen ständigen Waffenstillstand beginnen. Außerdem müsse diese Zeit genutzt werden, internationale Kontakte zu stabilisieren, um einen Gefangenenaustausch zwischen Israel und der Hamas sicherzustellen.
Die internationale Gemeinschaft müsse zudem auf die israelischen Angriffe im Südlibanon reagieren forderte Mikati bei einer Sitzung der Interimsregierung in Beirut. Es gebe »Märtyrer, Opfer, zerstörte Häuser, verbrannte Ernten und wirtschaftlichen und finanziellen Schaden«, so Mikati. Jüngstes Opfer war ein 16-jähriger Jugendlicher, der in der Nacht zu Mittwoch auf dem Nachhauseweg mit einem Motorrad von einer israelischen Drohne getötet wurde.
Der Libanon wird auf einen Krieg vorbereitet. Die Hisbollah, der Islamische Widerstand im Süden des Landes, setzt die israelische Armee mit gezielten Angriffen auf deren militärische und Überwachungsinfrastruktur südlich der Waffenstillstandslinie unter Druck, die – auch »Blaue Linie« genannt – seit dem Jahr 2000 von den Vereinten Nationen mit der UNO-Friedenstruppe für den Libanon (UNIFIL) kontrolliert wird. 49 Kämpfer der Hisbollah sind bei ihrer Operation »Straße nach Jerusalem« seit Mitte Oktober getötet worden. Am Freitag wird der Generalsekretär der Hisbollah, Hassan Nasrallah bei einer Trauerfeier für die gefallenen Kämpfer der Organisation sprechen
Die Zahl der getöteten israelischen Soldaten ist unklar. Die israelische Armee greift mit Artillerie, Drohnen und Kampfjets an, der Versuch einer israelischen Militäreinheit auf libanesisches Gebiet vorzudringen, wurde zurückgeschlagen. Der Ort Dhayra, wenige Kilometer östlich von Ras Naqoura, wurde wie auch der Ort Alma al-Shaab mehrfach von Israel beschossen. Dabei wurden gezielt Wälder und landwirtschaftlich genutztes Land wie Olivenhaine, Gärten und Weinstöcke in Brand gesetzt.
Israelische Phosphorbomben
Amnesty International berichtete, daß die israelische Armee bei den Angriffen auf den südlichen Libanon auch Weißen Phosphor einsetze. Zahlreiche Menschen seien mit schweren Verbrennungen in Krankenhäuser eingewiesen worden, erklärte die Regionalbeauftragte der Organisation Aya Majzoub. Nach dem internationalen humanitären und Kriegsrecht ist der Einsatz von weißem Phosphor in bewohnten Gebieten und gegen die Zivilbevölkerung verboten. Die Regierung prüft eine Beschwerde beim UNO-Sicherheitsrat gegen den Einsatz dieser giftigen Munition.
Die Interimsregierung unter Ministerpräsident Najib Mikati hat einen Nationalen Notfallplan aufgelegt, um im Falle eines Krieges die Versorgung der Bevölkerung zu gewährleisten. Der Plan, der mit dem UNO-Sonderbeauftragten für den Libanon und Koordinator für humanitäre Angelegenheiten Imran Riza besprochen wurde, orientiert sich Berichten zufolge an den Erfahrungen des Krieges mit Israel 2006. Konkret geht es um die Bereiche der Wasser- und Lebensmittelversorgung, Strom, Öl, Kommunikation und die Einrichtung von Schulen als Notunterkünfte.
Da die libanesische Regierung nur vorübergehend im Amt ist und das Land weder über einen Präsidenten noch über einen beschlossenen Haushalt verfüge, seien die Befugnisse der Regierung stark eingeschränkt, heißt es in einem ausführlichen Bericht über den Notfallplan in der Tageszeitung »Al Akhbar«. Der Staat sei im Falle eines Krieges im Bereich der Gesundheits- und Nahrungsmittelversorgung von internationalen Organisationen abhängig. Diese hätten bereits damit begonnen, Projektmittel umzuwidmen.
De facto werde der Libanon im Falle eines Krieges unter die Aufsicht von UNO- und anderen, insgesamt zehn internationalen Hilfsorganisationen gestellt, die im Libanon mit weiteren privaten und staatlichen Hilfsorganisationen arbeiten. Fünf mobile medizinische Notfallteams wurden in den südlibanesischen Städten Nabatieh und Tyr aufgestellt. Laut Berichten soll die medizinische Versorgung, einschließlich Brandwunden, chronischer Erkrankungen und Impfstoff für zwei Monate gesichert sein.
Ausländische Truppenpräsenz
Europäische und US-amerikanische Diplomaten und Regierungsvertreter geben sich derweil in Beirut die Klinken in die Hand. Delegationen aus europäischen, lateinamerikanischen und nordischen Ländern sprachen im Außenministerium, bei der Armeeführung und anderen Sicherheitskräften vor, auch der russische Botschafter sowie ein Emissär des Vatikan gehörten zu den Besuchern des libanesischen Außenministers.
Verschiedene Länder, darunter Kanada und die Bundesrepublik Deutschland, haben beantragt, eigene Truppenverbände ins Land zu bringen. Derzeit sind 140 Bundeswehrsoldaten im Rahmen verschiedener internationaler Missionen im Libanon und im östlichen Mittelmeer stationiert. Zusätzlich hat die deutsche Bundesregierung Spezialkräfte nach Zypern geflogen, die angeblich bei der Befreiung von Gefangenen im Gazastreifen helfen könnten. Laut unbestätigten Berichten sollen auch Krisenreaktionskräfte auf Zypern stationiert sein. Unklar ist zudem, ob die Bundesregierung zusätzliches Militär zum Schutz der eigenen Truppen im Libanon abkommandieren will.
Das Auswärtige Amt in Berlin wies in einer Erklärung am 20. Oktober darauf hin, daß das Bundesverteidigungsministerium in Koordination mit dem Auswärtigen Amt an einem »Plan für den Einsatz von Sondereinsatzkräften für Evakuierungsoperationen« arbeite. »Dieses Personal gehört zu den Einheiten, die erfolgreich die militärische Evakuierungsoperation im Sudan« durchgeführt habe. Für dieses Stadium der Bereitschaft sei ein Mandat des Bundestages nicht erforderlich.
Kommunisten rufen zum Widerstand auf
Die Kommunistische Partei des Libanon hat zum Widerstand gegen Israel und Staaten aufgerufen, die Israel weiter unterstützen. Wichtigstes Ziel sei ein Waffenstillstand, das Projekt der Vertreibung der Palästinenser müsse gestoppt werden. Breit angelegte Volks- und Parteiaktivitäten sollten politisch und medial »alle verfügbaren Formen des Kampfes« unterstützen. Dazu gehörten »Widerstand gegen die Besatzung, sobald sie es wagt, in den Libanon einzumarschieren« ebenso, wie Proteste vor den Botschaften der Länder, die den völkermörderischen Krieg gegen das palästinensische Volk unterstützten, hieß es in einer Erklärung vom 31. Oktober. Deren Botschafter müßten ausgewiesen werden.