Erdbeben-Hilfe wird weiter politisiert
Westliche Staaten verweigern Kontakt mit Syrien. Hilfe kommt von arabischen Nachbarn
Während die USA, die EU und Deutschland humanitäre Hilfe für die Erdbebenopfer in Syrien in »Nordwesten« und »Regime-kontrolliert« aufteilen und die Sanktionen gegen das Land nicht aufheben, gehen arabische Staaten auf Syrien zu.
Das schwere Erdbeben am 6. Februar im türkisch-syrischen Grenzgebiet zwingt zum Umdenken. Das haben vor allem die Staaten erkannt, die seit 2011 Geld und Waffen für die Gegner der syrischen Regierung lieferten.
Unmittelbar nachdem die katastrophalen Ausmaße des Erdbebens deutlich wurden, machten die USA und die klar, Hilfe an die Türkei und an »humanitäre Partner vor Ort« im »Nordwesten« Syriens zu liefern. Es sei »ziemlich ironisch (...) einer Regierung die Hand (zu) reichen (…), die ihr Volk seit nunmehr einem Dutzend Jahren brutal behandelt hat – sie hat es vergast, abgeschlachtet und ist für einen Großteil des Leids verantwortlich, das es ertragen mußte«, erklärte der Sprecher des USA-Außenministeriums auf die Frage eines Journalisten, ob die USA-Administration nicht auf die syrische Regierung in Damaskus zugehen solle. Ähnlich positionierte sich das Auswärtige Amt in Berlin.
Anders die mit Syrien verbündeten Staaten Iran und Rußland sowie die arabischen Nachbarstaaten, die Hilfe sowohl in die Türkei als auch nach Syrien lieferten. Der Libanon, der seit vier Jahren eine schwere Wirtschaftskrise durchlebt, setzte einseitig alle westlichen Restriktionen gegenüber Syrien aus. So konnten dringend im Erdbebengebiet benötigte Maschinen, Decken und Unterkünfte, die per Schiff oder Flugzeug geliefert wurden, unmittelbar nach Syrien weitergeleitet werden.
Der Chef des Welternährungsprogramms (WFP) David Beasley erklärte, auf Regierungsebene hätten Syrien und die Türkei gut kooperiert, um Hilfslieferungen in alle betroffenen Gebiete in Syrien zu ermöglichen. Probleme gebe es allerdings mit den »Autoritäten im Nordwesten«. Sie blockierten die Durchfahrt von Hilfstransporten, die aus Syrien kämen, sagte Beasley. Er wisse nicht, warum sie blockierten. »Warum spielen sie jetzt solche Spiele. Ich werde sie beim Namen nennen und nicht dazu schweigen.«
Mehr als 120 Flugzeuge mit Hilfsgütern landeten direkt auf den syrischen Flughäfen von Damaskus, Latakia und Aleppo. Die Hälfte der Flüge kam aus den Vereinigten Arabischen Emiraten, die im Dezember 2018 ihre Botschaft in Damaskus nach sieben Jahren Abwesenheit geöffnet und die diplomatischen Beziehungen mit Syrien wiederaufgenommen hatten. Saudi Arabien schickte zwei Flugzeuge, und in den Emiraten, Saudi Arabien und Kuwait wurden Millionen US-Dollar gespendet, um den Menschen in Syrien zu helfen.
Am Tag nach dem Erdbeben meldete sich aus Kairo der ägyptische Präsident Abdul Fattah al-Sisi telefonisch im syrischen Präsidentenpalast. Die Außenminister der Vereinigten Arabischen Emirate, aus Saudi-Arabien und Jordanien und Regierungsdelegationen aus dem Libanon und Irak kamen nach Damaskus, um mit Präsident Assad zu sprechen und ihre Hilfe anzubieten.
Am Montag wurde Syriens Präsident Baschar al-Assad in Oman von Sultan Haitham bin Tariq zu einem Arbeitsbesuch empfangen. In einer Erklärung des Palastes hieß es, Oman freue sich, wenn sich die Beziehungen Syriens mit allen arabischen Staaten wieder normalisierten. Oman hatte seine Botschaft in Damaskus 2020 wieder geöffnet und mit Syrien Vereinbarungen im kulturellen und Bildungsbereich getroffen.
Der saudische Außenminister Prinz Faisal bin Farhan Al Saud sagte bei der Münchner »Sicherheitskonferenz«, man müsse einen Dialog mit Syrien aufnehmen, um mindestens in Fragen der humanitären Hilfe, des Wiederaufbaus und der Rückkehr von Flüchtlingen Lösungen zu finden. Die Isolierung des Landes führe nicht weiter. Nicht nur im Golfkooperationsrat sondern in der ganzen arabischen Welt wachse der Konsens, daß der Status Quo nicht funktioniere.