Jede Menge leere Worte
Bei der EU-Wahl am 9. Juni stehe »viel auf dem Spiel«, mahnte der luxemburgische Vizepräsident des EU-Parlaments, Marc Angel, am Montag dieser Woche zum Beginn der Kampagne »Ich kann wählen«. Nicht erst seit jenem Tag prasseln in diesem Zusammenhang jede Menge leere Worte auf uns nieder.
»Europa« sei »Teil unseres Lebens«, erklärte der LSAP-Mann völlig sinnentleert. Er meinte damit natürlich nicht den Kontinent Europa, der nicht nur wesentlich größer ist als die Europäische Union, sondern zu dem auch ein großes Territorium gehört, dem die Friedensnobelpreisträgerin EU faktisch den Krieg erklärt hat. Passend dazu plädierte die grüne EU-Abgeordnete Metz für eine »Stärkung Europas auf der geopolitischen Bühne«. Allein hier wird klar, wo die Prioritäten tatsächlich festgezurrt sind: Konkurrenzkampf statt Kooperation, Primat der Profitmaximierung gegenüber den Interessen der Mehrheit der Menschen innerhalb und außerhalb der EU.
Herr Angel warnte in diesem Zusammenhang vor dem Risiko von »Desinformationen«, um sogleich genau solche zu verbreiten. Als »Errungenschaften« der segensreichen Tätigkeit der EU nannte er das Gesetz über einheitliche Ladegeräte oder das Verbot von Produktverschleiß. Sicher sind das sinnvolle Ideen, die jedoch darüber hinwegtäuschen sollen, daß wir der EU – in enger Komplizenschaft mit den meisten Regierungen der Mitgliedstaaten – vor allem eine ungeheuerliche Austeritätspolitik zu verdanken haben.
Die Entscheidung, einen Wirtschaftskrieg gegen Rußland zu führen, die Mitgliedstaaten von der Belieferung mit Energieträgern abzukoppeln und dafür teures und zudem noch stärker umweltschädigendes Flüssiggas aus den USA zu importieren, und sich außerdem noch auf einen Wirtschaftskrieg gegen China vorzubereiten, hat nun wirklich nichts mit einer Politik im Interesse der Menschen zu tun. Die bekommen die Folgen in Form von Preiserhöhungen und Streichung von Sozialleistungen zu spüren.
Da fragt man sich, ob Herr Angel nicht selbst den Widerspruch spürt, wenn er erklärt: »Wir prüfen auch, wie wir eine bessere Koordination in Bezug auf die soziale Sicherheit erreichen können.«
Nicolas Schmit, ebenfalls von der LSAP, begründete seine Bewerbung als Spitzenkandidat der Sozialdemokraten bei der Wahl zum EU-Parlament, indem er erklärte: »Nur mit einem starken und klaren europäischen Projekt, das auf Solidarität, Schutz und Gleichstellung der Geschlechter auf einem nachhaltigen und integrativen Wirtschaftsmodell und einem erneuerten Gesellschaftsvertrag aufbaut, können wir immer stärker werdenden Rechtsextremen begegnen und sie besiegen.« Gut gebrüllt, Löwe, allerdings sind auch das leere Worte.
Mit den Rechtsextremen unterschiedlicher Couleur im EU-Parlament ist man sich fast immer einig, wenn es darum geht, die Interessen des Kapitals über die Interessen der Lohnabhängigen zu stellen. Und auch in der Frage von Krieg und Frieden ist es nicht wesentlich anders. Zuletzt zu erkennen, als am Donnerstag ein Antrag der Linken im EU-Parlament von einer großen Koalition von Konservativen, Rechten, Liberalen, Sozialdemokraten und auch Grünen abgelehnt wurde, mit der ein bedingungsloser und dauerhafter Waffenstillstand für Gaza gefordert wurde. Dafür wurde mehrheitlich die israelische Haltung unterstützt, laut der ein Frieden für Gaza erst mit der Vernichtung der Hamas erreicht werden könne.
Die Kampagne »Ich kann wählen« hat noch viele Fragen zu beantworten. Leere Worte werden nur zu weiteren leeren Versprechungen.