Luxemburg29. August 2023

Eine Frage des Überlebens

Von allen grenznahen Atomzentralen sind die vier Schrottmeiler im französischen Cattenom am gefährlichsten für Luxemburg

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Die von Präsident Emmanuel Macron angekündigte Renaissance der französischen Atomkraft betrifft uns – und alle bald zwölf Millionen Bewohner der Großregion – direkt. Luxemburg sei »wohl der einzige Staat der Welt, der in seiner kompletten Existenz von einem Super-GAU eines einzigen Kernreaktors bedroht ist«, heißt es bei Wikipedia zur neun Kilometer von der Landesgrenze und 46 Kilometer von der Hauptstadt entfernten Atomzentrale Cattenom. Von deren vier aktiven Reaktorblöcken liefern derzeit zwei Strom.

Im Sommer vergangenen Jahres waren in ganz Frankreich zeitweise nur 27 der 56 – größtenteils völlig maroden – Atommeiler in Betrieb, mehr als die Hälfte mußte wegen technischer Probleme und zu Wartungsarbeiten heruntergefahren werden. Zudem wurden in Frankreich im Sommer 2022 in zwölf Atomzentralen die Höchstwerte für die Innentemperaturen der Meiler um bis zu vier Grad überschritten. Extreme Hitzewellen hatten Flüsse wie die Gironde oder die Rhone, aus denen die Kühlwassersysteme der AKW gespeist werden, auf teilweise über 30 Grad erwärmt. Mehrere Meiler mußten deshalb abgeschaltet werden.

Erst am Freitag sah sich der seit Kurzem wieder verstaatlichte Atomstromkonzern EDF – der alle 18 französischen Atomzentralen mit insgesamt 56 Meilern betreibt – genötigt, der Autorité de sûreté nucléaire (ASN) ein »sicherheitsrelevantes Ereignis« in Cattenom zu melden. Derzeit arbeite man am Wiederanfahren des Reaktorblocks Nr. 1, der seit Ende Mai wegen geplanter Wartungsarbeiten abgeschaltet sei. Am 17. August habe während eines Tests des dieselbetriebenen Notstromaggregats von Meiler 1 ein Leistungsschalter nicht funktioniert, heißt es in der Presseerklärung von EDF. Deshalb sei der Test als »nicht erfolgreich« eingestuft worden.

Nachdem sich herausgestellt habe, daß ein loser Schalter die Ursache für die Fehlfunktion gewesen sei, habe man das Wiederanfahren des Reaktorblocks am 20. August fortgesetzt. Doch bereits am nächsten Tag habe derselbe Fehler am Notstromaggregat zu einer Fehlfunktion an einer elektrischen Schalttafel geführt. Diesmal wurde der Fehler an einer Platine gefunden und behoben, versichert EDF. Und weiter: »Die Nichtverfügbarkeit der Schalttafel verringerte die Zuverlässigkeit eines der beiden Notsysteme, aber andere zusätzliche Stromquellen waren verfügbar und einsatzbereit«.

Gleichzeitig mußte EDF aber einräumen, daß »in der Zeit zwischen den beiden Störungen« zusätzlich noch »zwei weitere Ausfälle von Geräten« untersucht worden seien. »Bei einer Häufung von drei Ereignissen schreiben unsere Betriebsregeln vor, daß das erste Gerät innerhalb einer Stunde wieder in Ordnung gebracht werden muß.« Leider habe man diese Vorgabe nicht einhalten können, weil man davon ausgegangen sei, die Störung an der Schalttafel sei behoben. Wegen der »verspätet festgestellten Nichteinhaltung der Betriebsvorschriften« habe man schließlich die ASN informiert.

Greenpeace hatte schon anläßlich des zweiten Jahrestages der Nuklearkatastrophe in Fukushima vom 11. März 2011 vorgerechnet, wenn es in Cattenom zu einem ähnlich schweren Unfall komme, seien in fünf Kilometern Umkreis 75.000 Menschen von radioaktiv verseuchter Luft, Böden, Wasser und Nahrungsmitteln betroffen – der höchste Wert im Vergleich aller französischen Atomzentralen. In einem Umkreis von 30 Kilometern um Cattenom leben mittlerweile sogar 900.000 Menschen – darunter die meisten Bewohner Luxemburgs – in einem Umkreis von 80 Kilometern 3,5 Millionen. Das allein wäre Grund genug, die zwischen 1986 und 1991 in Betrieb genommenen Uraltmeiler in Cattenom endlich für immer stillzulegen.