Ausland12. Oktober 2023

Der Traum vom Staatsstreich ist ausgeträumt

Dem einstigen Möchtegern-Präsidenten Venezuelas werden Hochverrat, Amtsanmaßung, Geldwäsche und Bildung einer kriminellen Vereinigung vorgeworfen

von Volker Hermsdorf

Der Traum vom Staatsstreich und einer Präsidentschaft von Washingtons Gnaden ist ausgeträumt. Venezuelas Staatsanwaltschaft hat – wie bereits berichtet – in der vergangenen Woche einen Haftbefehl gegen den rechten Oppositionspolitiker Juan Guaidó erlassen und bei Interpol eine »Red Notice« beantragt, um den Aufenthaltsort des Flüchtigen zu ermitteln und um seine Festnahme zu veranlassen.

Generalstaatsanwalt Tarek William Saab teilte am vorigen Donnerstag mit, daß dem 40-Jährigen unter anderem Hochverrat, Amtsanmaßung, Geldwäsche und die Bildung einer kriminellen Vereinigung vorgeworfen werden. Darüber hinaus habe er dem venezolanischen Staat Verluste in Höhe von etwa 20 Milliarden US-Dollar zugefügt. Ob der Haftbefehl je vollstreckt werden wird, ist allerdings fraglich. Im April hatte der Gesuchte sich in die USA abgesetzt, nachdem Kolumbien ihn ausgewiesen hatte. Er hofft auf die Loyalität derjenigen, die ihn als Instrument zum Sturz der gewählten Regierung aufgebaut hatten.

Unterstützt von den USA hatte sich der bis dahin unbekannte Oppositionspolitiker Guaidó 2019 selbst zum »Interimspräsidenten« Venezuelas erklärt. Eine Minderheit von 50 der 193 UNO-Mitgliedsländer erkannte ihn umgehend als Staats- und Regierungschef an. Wenig später erhob Guaidó im Namen seiner »Regierung« Anspruch auf bei ausländischen Banken deponierte Vermögenswerte des Landes. Daraufhin verweigerte unter anderem die Bank of England die Herausgabe von 32 Tonnen Gold im Wert von rund 1,8 Milliarden Euro. Das Gold, das rund 15 Prozent der venezolanischen Devisenreserven ausmacht und für staatliche Investitionen im Gesundheitswesen und Sozialprogramme vorgesehen ist, wird der rechtmäßigen Regierung bis heute vorenthalten.

Weitere Milliardensummen gingen dem Staat verloren, nachdem Washington die Leitung der in den USA operierenden Tochtergesellschaft Citgo des venezolanischen Ölunternehmens PDVSA an einen von Guaidós Oppositionsgruppe ernannten »Vorstand« übertrug.

Generalstaatsanwalt Saab berief sich während der Pressekonferenz in Caracas auf einen Prozeß des Bezirksgerichts in Delaware, aus dem hervorgegangen sei, daß der ehemalige Abgeordnete »auf das Vermögen der PDVSA-Tochtergesellschaft in den USA zugegriffen und es für den eigenen Bedarf verwendet« habe. »Guaidó nutzte die Ressourcen, um sich selbst zu finanzieren und zwang dem Unternehmen Bedingungen auf, die fast zum endgültigen Verlust von Citgo führten«, erklärte der Staatsanwalt. Gegen die »kriminelle Bande« und ihren Chef, die dem venezolanischen Volk Milliardenbeträge gestohlen hätten, seien derzeit 28 Ermittlungsverfahren anhängig. Eine Stellungnahme zu den Anschuldigungen lehnte Guaidó auf Anfrage des USA-Senders CNN ab.

Um den von USA-Präsident Joseph Biden einmal als »Mister President« angesprochenen früheren Günstling dürfte es einsam werden. Ende vergangenen Jahres hatte ihn die rechte venezolanische Opposition bereits als »Interimspräsident« abgesetzt. Auch das Weiße Haus läßt ihn fallen wie eine heiße Kartoffel. Bei den Präsidentschaftswahlen im kommenden Jahr gibt es für Guaidó und seine einstigen Gefolgsleute in Venezuela nicht einmal mehr eine Statistenrolle. Blamabel und entlarvend ist das auch für all diejenigen in der von Washington dominierten westlichen »Wertegemeinschaft«, die den Möchtegern-Präsidenten einst als treue Vasallen der USA eilfertig anerkannt hatten.