Vive la Kanaky – frei und unabhängig!
Kanaky, die von französischen Kolonialisten »Nouvelle-Calédonie« (Neukaledonien) genannte Inselgruppe im Südwesten des Pazifischen Ozeans auf der Europa gegenüberliegenden Seite des Erdballs, ist ungefähr siebenmal so groß wie Luxemburg, hat aber nur gut 270.000 Einwohner. Die wichtigste Gruppe der Bevölkerung sind die seit Anbeginn der Menschheit dort heimischen Kanaken (von »kanaka« oder »kanaka maoli«, was übersetzt aus der Sprache der Ureinwohner schlicht »Mensch« bedeutet).
Die mehr als 17.000 Kilometer von Frankreich entfernte Inselgruppe wurde 1853 unter Napoleons nicht minder bonapartistisch regierenden Neffen Napoleon III. kolonialisiert und von 1864 bis weit in die 20er Jahre des 20. Jahrhunderts hinein als Strafkolonie für Kommunarden, andere Aufsässige und mittellose Vagabunden genutzt. Sie mußten die tropische Insel für Frankreich »urbar« machen, respektive sich zu Tode schuften.
Wie üblich hatten die französischen Kolonialherren auch gewichtige wirtschaftliche Interessen. Die umfangreichen lateritischen Nickelerzvorkommen im Norden Kanakys, die seit 1890 »zum Wohle Frankreichs« – das heißt zum Wohle der Aktionäre der beteiligten Konzerne – unter Sklavenbedingungen ausgebeutet wurden, machten einst 30 Prozent und machen heute noch immer mehr als acht Prozent aller derartigen Nickelreserven der Welt aus.
Nickel ist unter anderem ein wichtiger Bestandteil von Edelstahl sowie von elektrochemischen Energiespeichern wie Batterien und Akkumulatoren. Mittlerweile ist ein Teil der Nickelerzproduktion Kanakys in der Hand von Elon Musks Tesla-Konzern, ein anderer gehört dem in der Schweiz ansässigen weltgrößten Bergwerks- und Rohstoffhandelskonzern Glencore.
Hinzu kommen die geopolitischen Interessen des französischen Imperialismus an einem Stützpunkt im heißumkämpften Südpazifik, auf dem Paris sogar Atomwaffen stationieren könnte.
Das alles sind Gründe dafür, daß Frankreich dem seit 1946 von der UNO als »Hoheitsgebiet ohne Selbstregierung«, das »dekolonisiert« werden müsse, anerkannten Kanaky bis heute die Unabhängigkeit verweigert.
Einen möglichen Weg dahin hatte das 1998 geschlossene Abkommen von Nouméa eröffnet. Drei Referenden fanden seither 2018, 2020 und 2021 statt, die aber jeweils den Verbleib bei Frankreich zum Ergebnis hatten. Das letzte Referendum hatte die Unabhängigkeitsbewegung, in der die FLNKS (Front de libération nationale kanak et socialiste) die stärkste Kraft ist, boykottiert.
2007 wurde die Verfassung dahingehend geändert, daß den Ureinwohnern ein bevorzugtes Wahlrecht gegenüber den nach 1998 auf die Inseln gekommenen Neubürgern garantiert wurde. Als die Regierung von Präsident Macron beschloß, diese Bevorzugung bei Wahlen zum Inselparlament und Regionalvertretungen wieder aus der Verfassung zu streichen, kam es ab Mitte Mai zu neuen Unruhen. Wie schon beim blutigen Aufstand 1988 wurden Barrikaden errichtet, bis Macron den Ausnahmezustand verhängen ließ und (obwohl in Kürze die Olympischen Spiele in Paris beginnen) 3.000 zusätzliche »Sicherheitskräfte« schickte.
Alles sieht danach aus, als könne nur die UNO helfen. Die Staatengemeinschaft sollte ein aus anerkannten Persönlichkeiten der Pazifikregion zusammengesetztes Vermittlungsteam einsetzen, sonst wird Paris Kanaky die seit Jahrzehnten angestrebte Unabhängigkeit weitere Jahrzehnte vorenthalten.