Ausland20. Juni 2024

Putin besucht strategischen Partner

Russischer Präsident für zwei Tage in Vietnam

von Gerhard Feldbauer

Anläßlich der Feierlichkeiten zum 30. Jahrestag der Unterzeichnung des Vertrags über die Grundprinzipien freundschaftlicher Beziehungen zwischen der Russischen Föderation und der Sozialistischen Republik Vietnam 1994 ist der russische Präsident Wladimir Putin am Mittwoch zu einem zweitägigen Besuch in Vietnams Hauptstadt Hanoi eingetroffen. Eingeladen hat der Generalsekretär der Kommunistischen Partei Vietnams, Nguyen Phu Trong. Im Mittelpunkt steht nach einem Vorbericht der vietnamesischen Nachrichtenagentur VNA die Vertiefung der strategischen Partnerschaft zwischen beiden Ländern.

In der russischen Zeitung »Nezavisimost« betonte Grigori Trofimchuk, der Vertrag von 1994 habe die Grundlagen der bilateralen Beziehungen »in der neuen Entwicklungsphase« nach dem Ende der Sowjetunion festgeschrieben. Von der Zusammenarbeit und umfassenden Partnerschaft zeugten »sieben gegenseitige Besuche auf höchster Ebene allein zwischen 2017 und 2019«. Die vietnamesische Parteizeitung »Nhan Dan« stimmt dem zu und erinnert daran, daß die Sowjetunion eines der ersten Länder war, das am 30. Januar 1950 diplomatische Beziehungen zu Vietnam, das in dieser Zeit seine Unabhängigkeit gegen den Versuch Frankreichs, sein Kolonialregime wieder zu errichten, verteidigte, aufnahm.

Die Beschwörung der sozialistischen Kampfgemeinschaft zu Zeiten der UdSSR soll deren Fortsetzung bekräftigen, kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß in Rußland nach 1989/90 eine Renegatenclique dem Kurs Gorbatschows folgte und eine kapitalistische Restauration durchsetzte. Putin stoppte mit seinem ersten Antritt als Präsident den Ausverkauf an die USA, schränkte die Herrschaft der Oligarchen ein und stärkte den staatskapitalistischen Sektor. In der Außenpolitik führte das dazu, daß Vietnam unter den befreundeten Partnern Rußlands, wie »Nhan Dan« hervorhob, eine Sonderstellung einnimmt, in der die guten kooperativen Beziehungen zwischen beiden Ländern fortgesetzt werden.

Davon zeugt auch die Zusammenarbeit im Militär- und Sicherheitsbereich. Rußland war in der Vergangenheit ein wichtiger Waffenlieferant Hanois. 80 Prozent seiner militärischen Ausrüstung stammen noch aus Moskau. Neuen Lieferungen dürfte derzeit zwar entgegenstehen, daß Rußland einen Großteil seiner Rüstungsgüter derzeit für den Krieg in der Ukraine selbst braucht. Dennoch bleibt Rußland ein wichtiger Partner im Bereich der Militärtechnologie. Die Zusammenarbeit in anderen Bereichen wie Kultur, Tourismus, Bildung und Ausbildung sowie Wissenschaft und Technologie wird weiterhin gefördert. Als sicher gilt, daß die russische Firma Rosatom den Zuschlag für den Bau eines Atomkraftwerks in Vietnam erhält.

Während des Kalten Krieges gingen Zehntausende vietnamesische Kader zum Studium in die Sowjetunion, darunter führende Funktionäre, wie auch der heutige KP-Generalsekretär Nguyen Phu Trong. Auch heute studieren in Rußland weiter rund 5.000 Vietnamesen, von denen jedes Jahr 1.000 vom Gastgeber ein Stipendium erhalten. Mit 20 Städtepartnerschaften, darunter zwischen Hanoi, Ho-Chi-Minh-Stadt sowie Moskau und St. Petersburg, wird auch die dezentrale Zusammenarbeit fortgesetzt.

Bei den Erwartungen Moskaus, daß Hanoi über seine bisherige solidarische Haltung hinausgeht und seine Forderung, eine Lösung der Ukrainefrage müsse den Anschluß der Donezker Republiken an Rußland beinhalten, kommt ins Spiel, daß es erwartet, daß seine Gebietsansprüche auf mehrere der Spratly-Inseln im Südchinesischen Meer anerkannt werden. Hier muß Putin seinen strategischen Verbündeten in Beijing berücksichtigen, der die strategisch wichtige Inselgruppe allein für sich beansprucht. Beide Seiten stehen vor einem Spagat und es wird mit Spannung erwartet, ob sie ihn meistern. Aber hier ist der Boden bereits seit 2019 durch die Beteiligung russischer Unternehmen an der Exploration der Gas- und Ölförderung im Südchinesischen Meer bereitet. Dafür könnte auch stehen, daß Putin in Hanoi auf alle Fälle mit einem begeisterten Empfang rechnen kann, berichtete die britische Nachrichtenagentur Reuters. »Die Vietnamesen lieben russische Produkte sehr«, werden Einwohner Hanois widergegeben, und in den Souvenirgeschäften gibt es Matrjoschka-Puppen und Mützen mit aufgesticktem CCCP-Logo.