Fußball im Griff der TV-Konzerne
Es gab Zeiten, in denen waren Fußballspiele auch im Fernsehen echte Straßenfeger. Gebannt wurde gemeinsam in Kneipen vor den Bildschirmen gezittert, und die Wirte konnten viel Bier absetzen. Mit den Jahren hat sich nicht nur der professionelle Fußball größtenteils von den aktiven Fans in den Fankurven entfremdet, sondern zunehmend auch vom Fernsehpublikum. In Deutschland etwa war die samstagabendliche Sportschau mit Berichten von allen Erstligaspielen eine Institution. Vergleichbare Sendungen mit Kultstatus gab es auch in anderen Nachbarländern. In den 1980er Jahren wurde vom politisch-konservativen Lager und der Wirtschaft das Privatfernsehen aus der Taufe gehoben, um bessere Profite zu realisieren und vermehrt eigene politische Inhalte zu vermitteln.
So kam es, daß in Deutschland Ende der 1980er Jahre RTL mit der Sendung »Anpfiff« zum ersten Mal dem frei empfangbaren Fußball in Deutschland in die Beine grätschen konnte. Technisch bedingt konnten damals nur rund 2 Millionen Haushalte diese Sendung empfangen. Der Startschuß war gefallen, Sport hinter einem privat gesteuerten Vorhang verschwinden zu lassen. Mittlerweile braucht es überall in der Welt kostenpflichtige Abonnements, um Sportereignisse anzuschauen, die aufgrund des öffentlichen Interesses daran eigentlich frei empfangbar sein sollten.
Mittlerweile sind sogar teils mehrere Abonnements nötig, um einen vollständigen Liga-Spieltag im Fußball verfolgen zu können. Gleichzeitig führte die zeitliche Ansetzung der Partien dazu, daß jene Fans, die weiterhin lieber in den Stadien ihre Teams unterstützen wollen, mit absurden Anstoßzeiten und somit auch Urlaubs- und Reiseproblemen konfrontiert sind. Da die Spiele immer kurzfristiger genau angesetzt werden, kommt Planungsunsicherheit hinzu. Auch in Luxemburg wurde nun begonnen, Anstoßzeiten gezielter für TV-Übertragungen zu staffeln. Spitzenspiele, wie Differdingen gegen Düdelingen finden am Sonntagabend statt. Bisher scheint es die Stadiongänger nicht zu vergraulen: Mehr als 2.000 kamen am Sonntag zur genannten Partie nach Oberkorn. Hierzulande sind wir also trotz ersten Ansätzen noch weit entfernt vom Terminierungszirkus der Nachbarländer.
In Frankreich ist aktuell zu sehen, was passieren kann, wenn Übertragungsrechte-Deals mit TV-Konzernen in die Hose gehen: Die Ligue 1 wird aus einem Vertrag mit der Streamingplattform DAZN sowie dem arabischen Sender beIN SPORTS nur einen Bruchteil der Erlöse bekommen, die erhofft waren, nachdem Canal+ vergrätzt worden war. Folge für die Zuschauer: Die Klubs erhalten weniger Geld, was Stars nicht nur nicht anlockt, sondern auch veranlaßt, Frankreich zu verlassen. Gleichzeitig wird das Übertragungsangebot ausgedünnt und die Abopreise erhöht. Fans auf den Barrikaden, Klubs vor oder in der Pleite.
Zu diesen Problemen kommt hinzu, daß Gaststätten immer mehr dafür bezahlen müssen, über die Bezahlsender Fußballspiele zu zeigen. Viele haben in den vergangenen Jahren bereits die Segel streichen müssen und bieten keine Live-Übertragungen mehr an. Auf den anderen Schirmen läuft mittlerweile rund um die Uhr irgendein Fußballspiel. Es gehört schon zum vertrauten Stadtbild: Menschen sitzen vor und in den Cafés, reden miteinander und trinken, während kaum jemand das Gekicke auf dem Bildschirm beachtet. Fußball ist zur Fahrstuhlmusik der Gesellschaft verkommen, während gleichzeitig jene, die ihre Klubs mit Herzblut unterstützen, mit den genannten Folgen zu leiden haben.
Eine Abkehr vom Fußball-Overkill ist angesichts diverser Reformen im Europapokal oder bei internationalen Länderturnieren nicht in Sicht, ganz im Gegenteil, und Spielergewerkschaften schlagen bereits Alarm.