Leitartikel09. August 2024

Keine halben Sachen machen

von

Noch bis zum kommenden 25. August läuft landesweit der »Vëlosummer«, in dessen Rahmen es zu zahlreichen Aktionen kommt, um das Radfahren zu propagieren. Unter solchen Aktionen sind auch Straßensperrungen in Stadtzentren, um diese zumindest vorübergehend den muskelbetriebenen Zweirädern zur Verfügung zu stellen.

Eine solche Sperrung gibt es im Rahmen der genannten Kampagne auch in Düdelingen. Hier wurde im Anschluß an die ohnehin den größten Teil des Tages für individuellen Kraftverkehr gesperrte »Begegnungszone« mit Kunststoffbarrieren die Hälfte der Straße in der rue de la Libération zwischen Gemeindeplatz und Ende des Innenstadtbereichs für Radfahrer abgetrennt. Auch Zufahrtsstraßen in Richtung Gemeindeplatz wurden entsprechend mit einem Fahrverbot, außer für Anrainer, Fahrräder und Busse versehen.

Dies führt in der Praxis aufgrund der zahlreichen Einbahnstraßen (welche von Radfahrern, Einrädern oder Tretrollern in der Gegenrichtung befahren werden dürfen) in der Südgemeinde zu der Problematik, daß der wie auch immer motorisierte Individualverkehr sich andere Wege suchen und somit länger im Ort herumkurven muß als notwendig. Hinzu kommt, daß die genannten gesperrten Straßen nicht nur lediglich zeitweise mehr Sicherheit für Radfahrer bieten, sondern auch noch in einem erbärmlichen Zustand sind. So ist die Umgehungsstraße für die Begegnungszonen-»Niddeschgaass«, die rue de l’Étang, eine einzige Kraterlandschaft im Bereich zwischen Wolter- und Jaures-Straße. Dies insbesondere für Zweiräder, die keine Fahrräder sind und dementsprechend, wie ein Motorroller, als motorisierter Individualverkehr gelten, obschon langsamer als ein Vëlo. Die Straße im Bereich des Gemeindeplatzes ist ebenfalls mittlerweile relativ löchrig.

Natürlich wollen wir luxemburgische Gemeinden nicht an österreichischen Großstädten messen, doch Konzepte und Herangehensweisen sollten schon verglichen werden dürfen. Hier lohnt sich ein Blick in die steirische Landeshauptstadt Graz. Wer mit dem Auto in die Stadt hineinfährt, muß sich schnell an baulich getrennte Radspuren und Ampelschaltungen eigens für Radstraßen gewöhnen. Wer aus dem Bahnhof tritt und die Straße beim Europaplatz überqueren möchte, muß auch als Fußgänger zweimal nach links und rechts schauen: Neben der Hauptverkehrsstraße liegt direkt eine Radstraße mit eigenem Zebrastreifen. Und die Zweiradler lassen auch Fußgänger schnell spüren, wenn diese in ihren Hoheitsbereich eindringen.

Das Radverkehrsnetz der Stadt Graz beträgt rund 150 km Kilometer (Stand 2022) und besteht aus Radwegen, gemischten Geh-/Radwegen, Radfahrstreifen, Mehrzweckstreifen und beschilderten Radrouten. Rund 800 Kilometer der Grazer Straßen sind außerdem Tempo-30-Straßen, um schwächeren Fahrzeugen, wie eben Fahrrädern oder Mopeds, die Verkehrsteilnahme ungefährlicher zu gestalten. Baulich getrennte Radwege sind nicht nur für die Radler selbst, sondern auch für alle anderen Verkehrsteilnehmer deutlich sicherer. Insbesondere Tempo 30 innerorts dürfte jedoch ein deutlich interessanteres Instrument der Verkehrsplanung sein, als repressive Selektion.

Dennoch wurden beim Beispiel Graz Anreize geschaffen, auf das Auto zu verzichten, die offensichtlich rege angenommen werden. Plastikbarrieren aufzustellen und nicht nur Autos, sondern auch allen anderen Verkehrsteilnehmern außer Radfahrern die Zufahrt ins Stadtzentrum zu verwehren und sie auf Umwege zu schicken, wird kaum Verständnis erzeugen und ist nicht mehr als dünn tapezierter Aktionismus.