Ausland23. August 2023

BRICS-Gipfeltreffen

Gemeinsam für eine gerechtere Weltordnung

von Karin Leukefeld

Mehr als 60 Staaten aus Lateinamerika, Afrika, Asien und der arabischen Welt nehmen am 15. BRICS-Gipfeltreffen teil.

Am Dienstag wurde in Johannesburg das 15. Gipfeltreffen der BRICS-Staaten eröffnet. Vertreter aus 69 Staaten aus Afrika, Lateinamerika, Asien und der arabischen Welt sind angereist. 20 internationale Organisationen, darunter die UNO, werden ebenfalls in Johannesburg vertreten sein. Das Treffen dauert bis zum 24. August.

Brasilien, Indien, China und Südafrika werden durch ihre Repräsentanten Lula da Silva, Narendra Modi, Xi Jingping und Cyril Ramaphosa vertreten. Der russische Präsident Wladimir Putin hatte seine persönliche Teilnahme abgesagt. Südafrika ist Unterzeichnerstaat des Internationalen Strafgerichtshofs und stand unter erheblichem Druck von USA und EU, einen Haftbefehl gegen den russischen Präsidenten umzusetzen. Rußland wird bei dem Gipfeltreffen durch Außenminister Sergej Lawrow vertreten.

Auch die Präsidenten Indonesiens, Joko Widodo, und des Iran, Ebrahim Raisi, haben ihre Teilnahme angekündigt. Sowohl Indonesien als auch der Iran haben die Aufnahme zu BRICS beantragt.

BRICS: Partnerschaft statt Bevormundung

BRICS steht für Brasilien, Rußland, Indien, China und Südafrika und verbindet Staaten in wirtschaftlicher und politischer Partnerschaft. Das erste offizielle Treffen der Staatschefs der fünf Gründungsstaaten fand 2006 am Rande des G8-Treffens in Sankt Petersburg statt. Es folgte ein Außenministertreffen im September des gleichen Jahres. 2009 fand der erste BRICS-Gipfel in Jekaterinburg, Rußland statt. 2010 wurde Südafrika offizielles Mitglied der Gruppe, 2011 richtete China den 3. BRICS-Gipfel aus.

2015 wurde die Neue Entwicklungsbank (NDB) mit Sitz in Schanghai gegründet. Ziel ist die finanzielle Unterstützung von sich entwickelnden Staaten beim Auf- und Ausbau ziviler Infrastruktur, nachhaltiger Entwicklung und Energieversorgung. Neben den BRICS-Staaten wurden 2021 Bangladesh, Ägypten, die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) und Uruguay als Mitglieder aufgenommen.

Ziel von BRICS ist es, »die bestehende politische, wirtschaftliche und finanzielle globale Architektur in einer fairen, gleichberechtigten und repräsentativen Weise neu zu gestalten«, wie es in einem Selbstverständnispapier heißt. Die angestrebte Neugestaltung soll auf der Basis von Multilateralismus und des Internationalen Rechts gestaltet werden, wie es in der Charta der Organisation der Vereinten Nationen steht.

Die fünf Gründungsstaaten gehören zu den weltweit führenden Wirtschaftsmächten und vertreten mehr als 42 Prozent der Weltbevölkerung, 30 Prozent der weltweiten Territorien, 23 Prozent des weltweiten Bruttoinlandsprodukts und 18 Prozent des weltweiten Handels.

Südafrika betont Unabhängigkeit

Südafrika, das 2023 den Vorsitz hält, richtet das Gipfeltreffen unter enormem Druck einer neuen Ost-West-Konfrontation aus. Diese zeigt sich besonders im Krieg des USA-geführten EU/NATO-Blocks gegen die Russische Föderation in der Ukraine. Südafrika weigert sich – wie die anderen BRICS-Staaten und die Mehrheit der UNO-Mitgliedstaaten – die von den USA und der EU verhängten Wirtschaftssanktionen gegen Rußland zu übernehmen.

In deutlicher Abgrenzung zur westlichen Konfrontationspolitik gegen Rußland, führte Südafrika eine Delegation afrikanischer Staaten in die Ukraine und nach Rußland an, um einen eigenen Vorschlag für Verhandlungen über eine Waffenruhe und einen Friedensschluß vorzulegen. Der südafrikanische Präsident Cyril Ramaphosa machte in einer Fernsehansprache deutlich, Südafrika werde sich von den westlichen Weltmächten nicht einschüchtern lassen. Südafrika sei unabhängig und gestalte unabhängig seine Politik.

Neue Finanzstruktur und Erweiterung

Auf dem Gipfeltreffen steht neben neuen Wirtschaftsinitiativen zwischen den Ländern des »Globalen Südens« und der Diskussion über neue Finanzsysteme jenseits des US-Dollars auch die Frage auf der Tagesordnung, wie die UNO-Strukturen gerechter gestaltet werden können. Rußland und China haben sich als Ständige Mitglieder im UNO-Sicherheitsrat wiederholt dafür ausgesprochen, daß mindestens Afrika ebenfalls einen festen Sitz in dem obersten UNO-Gremium erhalten soll.

Darüber hinaus steht die Erweiterung des Bündnisses selber in BRICS Plus auf der Tagesordnung. 23 Staaten hätten Anträge auf Mitgliedschaft eingereicht, hatte die südafrikanische Außenministerin Naledi Pandor vor Journalisten in der vergangenen Woche erklärt. In zahlreichen Gesprächen habe sich BRICS einem Konsens über die Erweiterung angenähert.

Saudi-Arabien und Iran wollen beitreten

In der arabischen Welt wird die Entwicklung von BRICS mit großem Interesse verfolgt. Acht der 23 Aufnahmeanträge kommen nach Angaben von Außenministerin Naledi Pandor aus Algerien, Bahrain, Ägypten, Kuwait, Marokko, Palästina, Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE). Als »befreundete Staaten« hatten die Außenminister von Saudi-Arabien, der Emirate und des Iran bereits am BRICS-Außenministertreffen Anfang Juni in Kapstadt teilgenommen.

Eine Aufnahme Saudi-Arabiens als zweitgrößten Ölproduzenten der Welt dürfte der ökonomischen Bedeutung von BRICS erheblichen Aufwind verschaffen. Entsprechend mißtrauisch beobachten die USA und ihre EU/NATO-Partner die Entwicklung. Saudi-Arabien gilt seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs als fester Bestandteil und Öllieferant der transatlantischen Einflußsphäre der USA, entwickelt sich allerdings seit einigen Jahren zunehmend selbstständig Richtung Osten.

Gegen Einmischung und Sanktionen

Die enger werdende Partnerschaft zwischen Saudi-Arabien und China wird in Washington und bei der EU-Führung als Gefährdung der eigenen Interessen gewertet. Mit China und Rußland als treibende politische und ökonomische Kräfte von BRICS stehen die USA und EU/NATO-Partner auf Konfrontations- und Kriegskurs.

Die arabischen und muslimischen Länder setzen Hoffnungen auf BRICS, um sich vom USA-geführten Einfluß des Westens, der anhaltenden Einmischung, den Kriegen und Wirtschaftssanktionen lösen zu können. Der »regelbasierten Ordnung« des Westens kann BRICS Plus in Zukunft eine starke Stimme im Sinne der UNO-Charta entgegensetzen.

»Eine Erweiterung von BRICS wird verschiedene Nationengruppen mit unterschiedlichen politischen Systemen vertreten«, sagte der südafrikanische Präsident Ramaphosa. Alle diese Staaten verbinde das gemeinsame Ziel »einer gerechteren weltweiten Ordnung«.