Starke Stimme für den Frieden
Differenzierte Reaktionen auf den israelisch-palästinensischen Konflikt, Plädoyer für diplomatische Lösungen
Wie bereits beim Stellvertreterkrieg zwischen der NATO und Rußland in der Ukraine äußerten sich zahlreiche Regierungen Lateinamerikas nach dem Angriff der Hamas auf Israel differenzierter als die USA und die meisten EU-Länder. Statt einseitiger Schuldzuweisungen, bedingungsloser Unterstützung eines der Kontrahenten, Waffenlieferungen und einer militärischen Eskalation in der Region fordern Vertreter lateinamerikanischer Länder diplomatische Lösungen. Sie kritisieren Gewalt und Terror auf beiden Seiten und verweisen auf die Ursachen des Konflikts.
Brasiliens Außenministerium verurteilte »die Angriffe, die vom Gazastreifen aus auf Israel verübt wurden«, und rief beide Konfliktparteien zur Zurückhaltung auf, um eine weitere Eskalation der Situation zu vermeiden. »Ich war schockiert über die Terroranschläge und bekräftige meine Ablehnung des Terrorismus in jeglicher Form«, schrieb Präsident Lula da Silva. Er appellierte an die Weltöffentlichkeit und die UNO, sich – im Einklang mit dem Völkerrecht und den UNO-Resolutionen – für eine sofortige Aufnahme von Verhandlungen für eine Lösung des Konflikts einzusetzen, »die die Existenz eines wirtschaftlich lebensfähigen palästinensischen Staates garantiert, der mit Israel friedlich innerhalb von für beide Seiten sicherer Grenzen koexistiert«. Bereits am 8. Oktober hatte Brasilien, das den Vorsitz im UNO-Sicherheitsrat innehat, das Gremium zu einer Dringlichkeitssitzung zusammengerufen.
Auch die mexikanische Regierung verurteilte alle Angriffe auf die Zivilbevölkerung im israelisch-palästinensischen Konflikt. »Jeder terroristische Akt stellt eine Bedrohung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit dar, die die Zusammenarbeit aller Staaten erfordert. Kein Grund rechtfertigt den Einsatz von Terrorismus«, erklärte das Außenministerium. Mexiko erkennt das Recht Israels auf Selbstverteidigung angesichts dieser Ereignisse an, weist aber darauf hin, daß jede Reaktion den Bedingungen des internationalen Rechts entsprechen müsse. Wir verurteilen »die Anwendung von Gewalt, unabhängig davon, von wem sie ausgeht, insbesondere wenn die Ziele Zivilisten sind, was eine klare Verletzung des humanitären Völkerrechts darstellt«, heißt es in der Erklärung. Das Außenministerium fügte einen Appell an die internationale Gemeinschaft und die UNO hinzu, einen politischen Prozeß zwischen den Beteiligten zu fördern, und bekräftigte das Angebot des Landes, »alle Bemühungen zu begleiten, die zu einem dauerhaften und nachhaltigen Frieden in der Region führen, der auf gegenseitigem Respekt und der uneingeschränkten Einhaltung des Völkerrechts beruht«.
Kolumbiens Staats- und Regierungschef Gustavo Petro appellierte an beide Seiten, »sich an einen Tisch zu setzen«, um über den Frieden zu verhandeln und die Existenz von zwei souveränen Staaten zu akzeptieren. Palästinensische Kinder könnten nur in Frieden schlafen, wenn israelische Kinder in Frieden schlafen, so wie israelische Kinder nur dann Frieden fänden, wenn palästinensische Kinder in Frieden schlafen könnten. Ein Krieg werde dies nie erreichen, sondern nur ein Friedensabkommen. »Die UNO hat mit der überwältigenden Mehrheit der Nationen der Welt Resolutionen verabschiedet, die fordern, daß die israelische Besatzung Palästinas beendet wird und daß Friedensabkommen, die heute nicht respektiert werden, in Kraft bleiben«, so Petro.
Die chilenische Regierung und das auch rechte Putschistenregime in Peru verurteilten einerseits die Angriffe »auf das schärfste« und bekundeten ihre »Solidarität mit den Opfern und dem israelischen Volk«, andererseits forderten sie beide Seiten zur Wiederaufnahme von Friedensgesprächen auf.
Deutliche Kritik an Israel äußerten die Regierungen von Bolivien, Kuba, Nicaragua und Venezuela. Während das Außenministerium in La Paz »zur Deeskalation der Gewalt, zum Schutz des Lebens und der Menschenrechte« aufrief, erklärte Expräsident Evo Morales, Israel sei »den Vereinigten Staaten ebenbürtig, interventionistisch und expansionistisch«. Kuba äußerte sich »zutiefst besorgt über die Eskalation der Gewalt, die eine Folge von 75 Jahren der permanenten Verletzung der Rechte des palästinensischen Volkes« sei. Ähnlich argumentierend fordert Venezuela die »Einhaltung der Resolution 2334 des UNO-Sicherheitsrates, die von Israel die sofortige und vollständige Beendigung aller Siedlungsaktivitäten und der Besetzung palästinensischer Gebiete verlangt, da dies der einzige Weg ist, um Frieden zu erreichen«.