Wählen bis das Ergebnis paßt
»Neue Demokratie« auf Griechisch: Premier Mitsotakis akzeptiert nur Alleinregierung. Kommunistische Partei: »100 Prozent Opposition im Interesse der Menschen«
Die Vergewaltigung der bürgerlichen Demokratie treibt in den Ländern des Westens, die angeblich »unsere Werte« verteidigen, immer neue Blüten. Während Politiker der Europäischen Union – auch Luxemburgs – lauthals die Diskriminierung der Opposition bei den Wahlen in der Türkei beklagen, ist es gleichzeitig für sie völlig »normal«, daß zum Beispiel die KPL aus öffentlichen Debatten im Radio und Fernsehen ausgeschlossen wird und die sogenannten etablierten Parteien auf Staatskosten das Land mit sinnentleerter Wahlpropaganda überschütten. In Bulgarien brauchte es fünf Wahlgänge, bis sich zwei EU-freundliche Parteien auf ein Regierungsbündnis einigen konnten. Im EU-Protektorat Kosovo werden Bürgermeister »gewählt«, die nicht einmal vier Prozent der Bürger vertreten.
Eine solche Praxis ist längst auch im vielgepriesenen »Mutterland der Demokratie« angekommen. In Griechenland ist es durch einen einfachen Trick gelungen, daß seit Jahren bürgerliche Parteien eine Alleinregierung stellen konnten. Sowohl die konservative Partei Nea Dimokratia (Neue Demokratie), als auch die sozialdemokratischen Parteien PASOK und SYRIZA sicherten sich jeweils eine Regierungsmehrheit, indem per Wahlgesetz der Partei mit dem höchsten Stimmenanteil einfach 50 Mandate zusätzlich zugesprochen wurden.
Aufgrund einer Änderung des Wahlgesetzes war das nun bei den jüngsten Wahlen im Mai nicht mehr möglich. Die Konservativen kamen zwar mit Abstand auf den höchsten Stimmenanteil, aber ihnen fehlten einige wenige Mandate im Parlament für eine Regierungsmehrheit. Kyriakos Mitsotakis, Chef der ND und Premierminister, lehnte daraufhin den Auftrag zur Regierungsbildung ab, in der selben Minute, als er ihm von der Staatspräsidentin erteilt wurde. Seine Partei sehe sich nicht in der Lage, mit einer der anderen Parteien eine Koalition einzugehen, sagte der Sproß einer schwerreichen Unternehmer- und Politikerdynastie.
Daß es Herrn Mitsotakis ausschließlich um Pfründe geht, und darum, mit seinen Unternehmerkumpanen die Richtlinien der Politik zu bestimmen, wird allein daran deutlich, daß die traditionellen Sozialdemokraten der PASOK und die neuen Sozialdemokraten des einstigen »linken Hoffnungsträgers« Alexis Tsipras in der zurückliegenden Wahlperiode mehr als die Hälfte der Anträge der Regierungspartei im Parlament unterstützt haben. Eine Minderheitsregierung, die im Parlament jeweils die notwendigen Stimmen für ihre Anträge sucht – und findet – wäre durchaus möglich gewesen.
Stattdessen läßt Mitsotakis das Volk am kommenden Sonntag noch einmal zu den Wahlurnen antreten. Dabei spielt ihm in die Hände, daß diesmal die Partei mit den meisten Stimmen wieder zusätzliche Mandate geschenkt bekommt. Sollten sich die Voraussagen bewahrheiten, daß die ND auf etwa 40 Prozent kommen könnte, dann würde sie etwa 40 bis 45 Sitze mehr bekommen als ihr nach dem Wahlergebnis zustehen. Das geht natürlich auf Kosten der anderen Parteien. Aber Herr Mitsotakis meint es durchaus ernst, auch wenn er halb im Scherz damit drohte, im August noch einmal wählen zu lassen, falls ihm das Ergebnis vom Sonntag nicht passen sollte. Mit dieser billigen Erpressung bekommt der Parteiname »Neue Demokratie« einen völlig neuen Sinn.
Die Sozialdemokraten von PASOK und SYRIZA betreiben nun ebenfalls eifrig Stimmenfang und gebärden sich als »die Opposition«. »Jede Stimme«, die nicht für SYRIZA abgegeben werde, spiele »der ND in die Hände«, erklärte Tsipras vor wenigen Tagen.
Die Kommunisten, die tatsächlich keinem der arbeiterfeindlichen Regierungsanträge zugestimmt haben, und deren Fraktion als einzige den Saal verlassen hat, als der ukrainische Kriegspräsident eine seiner Reden ins griechische Parlament übertragen ließ, gehen daher als die einzig wahre Oppositionspartei in diese Wahlen. Keine Stimme für volksfeindliche Gesetze, sondern »100 Prozent Opposition im Interesse der Menschen« steht auf ihren Wahlplakaten. Die Kommunistische Partei Griechenlands (KKE) operiert nicht mit leeren Versprechungen, sondern mit dem Versprechen, jede volksfeindliche Maßnahme der Regierung aufzudecken und zu bekämpfen, betonte KKE-Generalsekretär Dimitris Koutsoumbas in einer Rede vor Arbeitern der Perama-Werft in einem Vorort von Piräus am Mittwochmorgen. Nur eine starke Vertretung der KKE im Parlament entspreche wirklich den Interessen der Arbeiter und aller Lohnabhängigen.
Bei den Wahlen am Sonntag werde »die Kraft des Volkes, sich der volksfeindlichen Regierung entgegenzustellen, an den Stimmen und dem Anteil der KKE gemessen« sagte Dimitris Koutsoumbas vor den Werftarbeiter. Denn die KKE sei die einzige Partei, die keine Verpflichtungen in diesem System hat. Bei der Alternative »Entweder unser Leben oder deren Profite« stehen die Kommunisten für die Verbesserung des Lebens der Lohnabhängigen, betonte er. Die Partei werde sich innerhalb und außerhalb des Parlaments konsequent gegen alle Verschlechterungen einsetzen, mit denen die Menschen in ihrem Alltag zu kämpfen haben.
In diesem Sinne haben die KKE, der kommunistische Jugendverband KNE und die Gewerkschaftsfront PAME auch zu einer machtvollen Kundgebung am Mittwochabend auf dem Platz der Verfassung in Athen aufgerufen.