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Ausland21. September 2023

Unschuldsbeweis nach 47 Jahren

Rassistisch motivierte Vorurteile im Strafrechtssystem in den USA

von Jürgen Heiser

In White Plains im Bundesstaat New York wurde vor einigen Tagen ein Afroamerikaner 47 Jahre nach einem zu Unrecht ergangenen Urteil rehabilitiert. Der im März 1976 gegen Leonard Mack ergangene Schuldspruch wegen Vergewaltigung und illegalem Waffenbesitz mußte aufgrund neuer DNA-Beweise aufgehoben werden, berichtete das gemeinnützige »Innocence Project«. Neue forensische Analysemethoden, die damals noch nicht verfügbar waren, hätten den heute 72 Jahre alten Leonard Mack »endgültig als Täter ausgeschlossen und einen bereits früher verurteilten Sexualstraftäter identifiziert«, erklärte die Bezirksstaatsanwaltschaft von Westchester County.

Im Mai 1975 waren zwei Schülerinnen der Woodland High School in Greenburgh, New York, nachmittags auf ihrem Heimweg von der Schule an einem Waldgrundstück von einem Mann mit vorgehaltener Waffe überfallen und eine der beiden Jugendlichen vergewaltigt worden. Der Täter entkam unerkannt. Aufgrund der vagen Beschreibung der Opfer fahndete die Polizei nach einem »Schwarzen Anfang zwanzig«.

Zweieinhalb Stunden später wurde der damals 23-jährige Leonard Mack als Verdächtiger festgenommen. Seine Kleidung paßte zwar nicht zur Täterbeschreibung, aber weil im Kofferraum von Macks Wagen ein Revolver gefunden wurde und die beiden Teenager »ihn bei höchst suggestiven und problematischen Gegenüberstellungen identifizierten«, so Anwältin Susan Friedman vom »Innocence Project«, wurde er verhaftet.

Es nützte Mack nichts, daß er jegliche Beteiligung an dem Verbrechen von sich wies und seine Freundin bestätigte, zum Zeitpunkt des Angriffs mit ihm zusammen gewesen zu sein. Ein Jahr nach seiner Verhaftung wurde Mack wegen Vergewaltigung und illegalem Waffenbesitz zu siebeneinhalb Jahren Haft verurteilt. Für ihn begann damit ein langer Kampf für den Beweis seiner Unschuld, der nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis noch fast vier Jahrzehnte weiterging.

Anwältin Friedman erklärte, der Fall weise »viele Faktoren einer ungerechtfertigten Verurteilung« auf. »Die Entscheidung des Staates, die Strafverfolgung fortzusetzen, anstatt die Ermittlungen weiterzuführen, obwohl serologische Beweise aus der Unterwäsche des Opfers Mr. Mack bereits 1976 als Täter ausschlossen«, zeige »die Macht des Tunnelblicks und die Rolle, die rassistische Vorurteile im Strafrechtssystem spielen«.

Die DNA-Untersuchung des asservierten Spurenmaterials vom Tatort war erst 2022 durchgeführt worden, als das New Yorker »Innocence Project« den Fall neu aufrollte. Aufgrund der Ergebnisse bestätigte die Bezirksstaatsanwalt schließlich Macks Unschuld. Die Untersuchung habe »klar bewiesen, daß Mr. Mack das Verbrechen nicht begangen hat«. Als er am 5. September, seinem 72. Geburtstag, von seiner Entlastung von den ursprünglichen Vorwürfen erfuhr, reagierte Mack mit den Worten: »Jetzt kann ich endlich sagen, daß ich frei bin.«

Auf seiner Website erklärte das »Innocence Project«, der Schuldspruch gegen Leonard Mack habe am längsten überdauert von allen Fehlurteilen, »die je aufgrund neuer DNA-Beweise aufgehoben wurden«. Nachdem das im Rahmen der Nachuntersuchung aus den Tatortspuren erstellte DNA-Profil in die staatlichen Datenbanken hochgeladen worden war, führte es schnell zu einem Treffer. Identifiziert wurde ein Mann, der zwischen 1975 und 2004 mehrfach wegen Einbruchs, Vergewaltigung und sexueller Nötigung im Bundesstaat New York verurteilt worden war. Er legte für die Tat in Greenburgh ein Geständnis ab, konnte aber wegen der Verjährung nicht mehr dafür belangt werden.