Ausland19. Juli 2024

Der Kandidat und sein Wadenbeißer

Vize-Kandidat J. D. Vance gibt sich als »working class hero«. Amtsinhaber Biden immer stärker unter Druck

von Max Böhnel, New York

Der noch amtierende USA-Präsident Joe Biden gerät innerhalb der Demokratischen Partei immer weiter unter Druck, sich aus dem Wahlkampf zurückzuziehen. Am Mittwoch begab er sich wegen einer Covid-Erkrankung in Quarantäne. Unterdessen stellte sich beim Republikaner-Parteitag in Milwaukee zur besten Sendezeit Donald Trumps »running mate« J. D. Vance vor.

Mit dem 39-jährigen Vance stellt sich der 78-jährige Trump nicht nur einen jungen neuen Rechten zur Seite, der ihm treu ergeben ist, sondern auch einen politischen Hardliner, der das trumpistische Erbe des »American First«-Nationalismus weiterführt. Denn 2028 kann Trump nicht mehr kandidieren. Zudem machte Trump mit der Ernennung von Vance zu seinem Stellvertreter und möglichen Nachfolger klar, daß von ihm abweichende Meinungen und Strömungen innerhalb der Republikaner-Partei keine Chance haben.

Der Yale-Absolvent Vance ist ein Produkt des Trumpismus. Dabei hatte er sich noch 2016 im ersten Wahlkampf von Trump als dessen Gegner bezeichnet, und erklärt, Trump sei ein »fürchterlicher Kandidat«. Veröffentlicht wurden damals auch SMS-Nachrichten, in denen Vance einen ehemaligen Mitbewohner fragt, ob Trump ein »zynisches Arschloch« oder gar »Amerikas Hitler« sei.

Daß er der antidemokratischen Skrupellosigkeit seines Paten wenige Jahre später mit voller Überzeugung gerne folgt, machte er im Februar dieses Jahres in einem TV-Interview deutlich. Er erklärte, er hätte 2021 nicht, wie Trumps Vizepräsident Mike Pence, die Wahlergebnisse zertifiziert. Denn mit den Wahlen 2020 habe »etwas nicht gestimmt«. Vance wiederholte damit die Lüge Trumps von den »gestohlenen Wahlen«.

Im weiteren Verlauf des Interviews sprach er von »mit Linksradikalen besetzten Gerichten«, die »den Demokraten und der Biden-Regierung« zuarbeiten und Trump als politischen Gegner auszuschalten versuchen würden.

Eliten in der Europäischen Union, die vor Vance warnen, gilt er als außenpolitischer »Isolationist«. Tatsächlich äußerte er sich mehrmals abschätzig über die Ukraine, Waffenlieferungen und Geldern aus den USA für die Ukraine erteilte er auch bei Abstimmungen eine Absage. Doch das »friedliebende« Label ist irreführend. Denn er sieht erklärtermaßen den Hauptfeind der USA in China.

Seine und Trumps Vorstellungen von Außenpolitik präsentierte Vance bei der Nominierungs-Show vor den rund 2.500 Parteitagsdelegierten und den Millionen von Fernsehzuschauern allerdings nicht. Nach dem obligatorischen Loblied auf Trump skizzierte er in der 40-minütigen Rede seine Vorstellung von den USA – wie immer entlang seinem autobiographischen Bestseller »Hillbilly Elegy« von 2016, der auch verfilmt wurde.

Seinen Heimatort in der deindustrialisierten Appalachen-Region im Osten der USA beschrieb er als »eine kleine Stadt, in der die Menschen offen gesagt haben, was ihnen durch den Kopf ging, wo man mit den Händen arbeitete, seinen Gott und seine Nächsten liebte. Aber es ist auch ein Ort, der von Amerikas herrschender Klasse in Washington vergessen worden ist.« Vance gab sich wiederholt als »working class hero«. »Meine Damen und Herren, wir sind fertig damit, der Wall Street zu dienen«, sagte er, »ab jetzt verpflichten wir uns den Arbeitern«.

Den Hintergrund für seinen Appell an die »working class« hatte Vance schon am Abend in einem Interview mit dem rechten Hetzer Sean Hannity des Murdoch-Senders Fox News preisgegeben. Trump habe ihm mitgeteilt, er, Vance, sei ein wichtiger Baustein, um die Wahl am 5. November zu gewinnen. Ohne die »Swing States« im Mittleren Westen ist das nicht möglich.

In seiner Rede nannte Vance konkret, um welche Wählersegmente es dem rechten Gespann Trump-Vance dabei geht: »die Autoarbeiter in Michigan, die Fabrikarbeiter in Wisconsin, die Stromarbeiter in Pennsylvania«.