Leitartikel14. September 2024

Die Geister, die ich rief…

von Alain Herman

Das von Bildungsminister Claude Meisch auf der Pressekonferenz zum Schulanfang deklarierte »Handyverbot« an den Grundschulen ist zu begrüßen. Weitaus skeptischer betrachten sollte man jedoch Meischs Aufruf, die Bildschirmzeit an den Sekundarschulen durch schulinterne Reglements zu begrenzen.

Das Bildungsministerium hat den exzessiven Medienkonsum vieler Jugendlicher, die der kapitalistischen Maschinerie künstlicher Bedürfniserzeugung zumeist schutzlos ausgeliefert sind, sehr spät als ernstzunehmende Problematik entdeckt. Das ist nicht verwunderlich, ist die Digitalisierung der Schule vor zehn Jahren doch mit der liberalen Brechstange, inhaltlich aber ziemlich konzeptlos angegangen worden. Bei der Einführung digitaler Arbeitsgeräte in den Unterricht hätten von Anfang an die Auswüchse mitgedacht werden müssen. Die Corona-Pandemie fungierte sodann als Brandbeschleuniger. Die Zahl der Schüler, die in der digitalen Flutung – auch auf schulischer Ebene – sich selbst überlassen waren, ist Legion.

»Die ich rief, die Geister, werd' ich nun nicht los«, ließe sich mit Goethes »Zauberlehrling« sagen. Doch so aussichtslos ist die Lage nicht. Mit einem präzisen gesetzlichen Rahmen könnte ein einheitlicher, landesweit geltender Lösungsweg für die Handymisere an den Lyzeen geschaffen werden. Auf Sekundarschulniveau müsste allerdings zwischen »cycle inférieur« und »cycle supérieur« unterschieden werden, also eine striktere, an das generelle Verbot in der Grundschule angeglichene Handyreduktion für jüngere Gymnasiasten und eine nicht ganz so weit gehende mediale Abstinenz für Schüler der Oberstufe.

Die Schule ist kein gesellschaftsferner Ort, gerade innerhalb der Bildungsinstitutionen kann ein verantwortungsvoller Umgang mit dem Smartphone erlernt und vorgelebt werden. Oberklässler müssen diese Souveränität unter Beweis stellen können. Wichtige Informationen lassen sich nun mal schneller über Smartphone oder Tablet recherchieren. Darüber hinaus sind verschiedene schulische Ressourcen nur über ein Digitalgerät mit Internetzugang abruf- und einsehbar.

Zur »Screen-Life-Balance«, um das Leitwort aus der Kampagne des Ministeriums zu übernehmen, gehört auch eine Intensivierung des realen sozialen Austauschs unter den Schülern, der Jugendliche im Idealfall auch zu einer Verstärkung des gesellschaftlichen Engagements hinleiten kann. »La vie est charmante, c'est selon le verre par lequel on la regarde«, schreibt Alexandre Dumas in »La Dame aux Camélias«. Im 21. Jahrhundert bedeutet dies – gerade im schulischen Kontext –, dass es nicht ausschließlich durch ein Smartphone betrachtet werden darf, schon gar nicht während der Pausen. Auch hier könnte eine Reform des Reglements zur Nutzung von Handys während der Schulzeit Abhilfe schaffen – durch das Vorschreiben handyfreier Unterrichtspausen.

Die von Minister Meisch bevorzugte schulindividuelle Ausarbeitung von Einschränkungskonzepten reiht sich wenig überraschend in die Linie der seit 2013 durchgedrückten Autonomieideologie ein, sie führt aber letztlich wiederum zu viel Kuddelmuddel und einer Verstärkung der bereits bestehenden Konkurrenzsituation unter den Lyzeen, die seit der Implementierung von Meischs Liberalisierungspolitik mit modernen, manchmal lächerlichen, dem Geist aufgeklärter Bildung zuwiderlaufenden Marketingmethoden um die Gunst der Schüler buhlen. Der Einbruch des digitalen Zeitalters hätte vor zehn Jahren weniger exzessiv-liberal gefeiert werden sollen mit millionenschweren Exklusivverträgen für private US-amerikanische Konzerne wie »Apple« und »Microsoft«, stattdessen hätte das Ministerium gut daran getan, die damals schon existierende soziale Bildungskluft langfristig in Angriff zu nehmen.